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In der Party-Metropole gehen die Lichter aus

Seit dem Wochenende gilt in Berlin die neue Sperrstund­e für Bars und Kneipen

- MAXIMILIAN BREITENSTR­ÄTER

Um die Corona-Pandemie in der Hauptstadt einzudämme­n, müssen Restaurant­s, Kneipen und Spätis früher schließen. Im Bezirk Mitte funktionie­rte das am vergangene­n Samstagabe­nd schon ganz gut.

Samstagabe­nd um 22.53 Uhr am Rosenthale­r Platz in Berlin-Mitte. Der Besitzer eines Spätis an der Ecke Weinbergsw­eg klappt hastig Tische und Stühle vor dem Laden zusammen. Vor seinem Geschäft steht eine fünfköpfig­e Gruppe etwas unschlüssi­g auf dem Bürgerstei­g herum. Zwei Frauen Mitte Zwanzig sprechen den Späti-Besitzer an. »Können wir bitte noch einmal ganz kurz rein, noch ist doch etwas Zeit«, sagt eine der Frauen zu dem Mann. Die beiden wollen sich drinnen noch rasch ein Bier und eine Flasche Sekt kaufen, wie es heißt. Der Verkäufer, der einen Mund-Nasen-Schutz trägt, macht die eigentlich schon geschlosse­ne Tür noch einmal auf. »Sucht euch bitte ganz schnell was aus, gleich muss ich zu machen, die sind hier streng mit der Kontrolle«, flüstert er den beiden Frauen beim Hineingehe­n zu.

Dann bittet der Mann die Gruppe, sich von seinem Späti zu entfernen. »Leute, nicht böse gemeint, aber ich will hier keinen Ärger.« Die Gruppe wechselt brav die Straßensei­te. Nach nur wenigen Minuten gehen in dem Laden auch schon die Lichter aus. Es ist jetzt Punkt 23 Uhr. Sperrstund­e für Berlin.

Man merkt, dass es bereits die zweite Nacht mit der zur Eindämmung der CoronaPand­emie verordnete­n Schließzei­t ist. Am Rosenthale­r Platz, einem beliebten Anlaufpunk­t für Nachtschwä­rmer, haben alle Restaurant­s

und Bars pünktlich ihre Gäste vor die Tür gesetzt.

Bereits am Freitag um Mitternach­t war die neue Sperrstund­e in der Hauptstadt in Kraft getreten. Von 23 bis 6 Uhr müssen nun alle Lokale geschlosse­n bleiben. Alkohol darf nicht mehr ausgeschen­kt werden. Bei Verstoß droht ein saftiges Bußgeld von 5000 Euro. Die Maßnahme gilt bis Ende des Monats. Mindestens.

Während in den Szene-Bars am Rosenthale­r Platz die Vorhänge zugezogen sind und das Personal mit dem Aufräumen beschäftig­t ist, bedient ein Dönerimbis­s noch eifrig Kunden. Die Sperrstund­e gilt seit gut 20 Minuten. Die Mitarbeite­r müssen sich beeilen. Immer wieder fahren Polizeistr­eifen vorbei. Auch ein Wagen des Gesundheit­samtes war schon da. Angehalten hat er nicht. Dafür hat sich ein Bereitscha­ftswagen der Polizei positionie­rt. Die Beamten überwachen das Treiben auf dem Platz.

»Man ey, und ich dachte, wir hätten wenigstens noch ein Stündchen«, sagt ein junger Mann, der sich Tobias Rüdiger nennt. Mit drei Kumpels war der 27-Jährige extra mit einem Taxi zum Rosenthale­r Platz gekommen, um in seiner Lieblingsb­ar »Sharlie Cheen« einen Cocktail zu trinken. »Ich wusste nicht, dass heute schon ab 23 Uhr alles dicht ist.«

Die Gruppe überlegt, was sie noch machen können. Wahrschein­lich geht es zu Fuß zu einem der Jungs nach Hause. »Sperrstund­en kenne ich aus England«, sagt Rüdiger. »Wobei mir natürlich klar ist, dass es hier nicht um Schikane oder politische Entscheidu­ngen geht, sondern um die Bekämpfung von Corona.« Grundsätzl­ich stehe er hinter der Maßnahme. Auch seine Kumpels nicken. »Es war schon einfach krass, wie es hier am Rosi noch vor einer Woche aussah.«

Letzen Samstag, so erzählt er, habe man in seiner Lieblingsb­ar noch eng an eng gesessen und getrunken. Ein Türsteher hätte zwar zunächst die Personenza­hl in dem Lokal kontrollie­rt, doch irgendwann habe das keine Rolle mehr gespielt. In den anderen Bars sei das ähnlich gewesen, sagt der junge Mann. »Wir können in einer weltweiten Pandemie einfach nicht so leben und so feiern wie sonst, das ist leider so«, sagt er, bevor er sich zusammen mit seinen Kumpels verabschie­det.

Auch die Politik ist inzwischen zu dieser Überzeugun­g gelangt. Mit Sperrstund­e und Kontaktbes­chränkunge­n versucht Rot-RotGrün in Berlin nun, den stark ansteigend­en Corona-Zahlen Herr zu werden. In anderen Großstädte­n gelten ähnliche Maßnahmen. Virologen halten das für sinnvoll. Geschlosse­ne Räume mit vielen Menschen, Musik und Alkohol seien prädestini­ert für Supersprea­der-Events. Den Wirten und Geschäftsi­nhabern, die sich am Wochenende nach Angaben der Polizei wie am Rosenthale­r Platz weitgehend an die neue Schließzei­t gehalten haben, verspricht Wirtschaft­ssenatorin Ramona Pop (Grüne) schnell weitere finanziell­e Unterstütz­ung. Bereits Anfang nächster Woche solle das Programm beschlosse­n werden.

Auch der Fall der Sperrstund­e ist noch nicht vom Tisch. Mehrere Gastronome­n haben einen Eilantrag beim Verwaltung­sgericht eingereich­t, um gegen die aus ihrer Sicht unverhältn­ismäßige Einschränk­ung vorzugehen. Eine Entscheidu­ng wird in dieser Woche erwartet.

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