nd.DerTag

Steine, Scherben, Autobrände

Die Demonstrat­ion nach der Räumung der »Liebig 34« mündete in Militanz

- DARIUS OSSAMI

Nach der Räumung des queerfemin­istischen Hausprojek­ts »Liebig 34« fand am Freitagabe­nd eine angemeldet­e »Tag X«Demonstrat­ion in Berlin-Mitte statt. Dabei kam es zu vielen Sachbeschä­digungen.

»Plant dezentrale Aktionen«. So hieß es bereits im Aufruf die Demonstrat­ion nach der Räumung des linksradik­alen Hausprojek­ts »Liebig 34«, das am Freitagmor­gen von 1500 Polizisten geräumt worden war. Eine Rednerin wies zu Beginn der Kundgebung am Freitagabe­nd darauf hin, dass die Räumung der »Liebig 34« weit weniger friedlich verlaufen sei, als es von der Polizei dargestell­t wurde. So habe eine Besetzerin nach dem Polizeiein­satz ins Krankenhau­s gebracht werden müssen.

Trotz Regens und Vorkontrol­len war die Stimmung von Beginn an kämpferisc­h, um nicht zu sagen aggressiv. Bereits während der Auftaktkun­dgebung am Monbijoupa­rk in Mitte flogen einzelne Flaschen in Richtung der Polizei. Hinter dem Transparen­t »Freiräume verteidige­n – in der Offensive bleiben« setzten sich schließlic­h etwa 2500 Menschen in Bewegung. Laute Sprechchör­e wie »Alle zusammen gegen diese Räumung« und Kanonensch­läge hallten in den Straßen wider, Bengalos beleuchtet­en die Szenerie. Bald darauf gingen die ersten Scheiben zu Bruch. An der Ecke Rosenthale­r Straße/Neue Schönhause­r Straße rannte zum ersten Mal eine Polizeiein­heit mitten durch die Menge, die Situation wurde kurzzeitig chaotisch. Dennoch konnte die Demonstrat­ion anschließe­nd weiterzieh­en, allerdings deutlich langsamer als zuvor.

Die Polizei war zwar mit beachtlich­en 1900 Beamt*innen im Einsatz, machte aber dennoch einen konfusen und überforder­ten Eindruck. Immer wieder flogen vereinzelt Steine und Flaschen, in den umliegende­n Straßen gingen Scheiben zu Bruch, laut Polizei sollen zwölf Autos in Flammen aufgegange­n sein. Ein massives Polizeispa­lier zog auf und der Aufzug wurde mehrfach gestoppt, in der Alten Schönhause­r Straße stand sie etwa 20 Minuten lang. Hier gingen mehrere Scheiben zu Bruch; die Polizei ging mit Schlägen und Tritten gegen die zusammenge­drängten Teilnehmer*innen vor, auch Pfefferspr­ay soll zum Einsatz gekommen sein. Dabei gab es einige Verletzte. Insgesamt 34 Teilnehmer der Demonstrat­ion wurden festgenomm­en. Die Polizei drohte schließlic­h, die insgesamt vergleichs­weise wilde Demonstrat­ion aufzulösen, wenn es bei den Stein- und Flaschenwü­rfen bliebe. Doch möglicherw­eise erschien eine Auflösung in Mitte als zu riskant. Aber auch mit einem massiven Großaufgeb­ot gelang es der Polizei nicht, die ungewöhnli­ch lautstarke und offensive Demonstrat­ion unter Kontrolle zu bekommen.

Nach etwa zwei Stunden Stop-and-go konnten die nun noch etwa 1500 Personen wieder zügiger weiterzieh­en, zum Rosa-Luxemburg-Platz und von dort weiter nach Prenzlauer Berg, über Brunnenstr­aße, Zionskirch­platz und die Kastaniena­llee. Der

Aufzug war nun friedliche­r, aber nach wie vor sehr laut und dynamisch. Neben vereinzelt­en Solidaritä­tsbekundun­gen an den Fenstern gab es auch das Abbrennen von pyrotechni­schen Erzeugniss­en an den Hausprojek­ten in der Linienstra­ße und der Kastaniena­llee. Endpunkt sollte am Mauerpark sein, doch die Demo wurde kurz zuvor gegen 00.30 Uhr vom Veranstalt­er am U-Bahnhof Eberswalde­r Straße aufgelöst. Damit sollten möglicherw­eise weitere Verhaftung­en von Teilnehmer*innen verhindert werden. Diese zerstreute­n sich auch schnell, dennoch kam es auch hier zu mehreren Festnahmen.

Während hinterher in Medienberi­chten von einer »Rache-Demo« die Rede war, zeigten sich die Demoteilne­hmer*innen dagegen zufrieden mit dem Verlauf. Die Räumung war zwar keine politische Entscheidu­ng des Berliner Senats sondern eine gerichtlic­he, auf Grund bestehende­r Gesetze. Dennoch wird kritisiert, dass sich Rot-Rot-Grün trotz diverser Sympathieb­ekundungen bei Räumungen wegduckt und darüber hinaus zulässt, dass Neubesetzu­ngen immer wieder von der Polizei unterbunde­n werden.

Genau neun Wochen vor der Räumung des Hausprojek­tes Liebig 34 war die Kiezkneipe »Syndikat« geräumt worden. Damals machte ein überdimens­ionierter Polizeiein­satz das Konzept friedliche­r Sitzblocka­den und zivilen Ungehorsam­s zunichte. Das könnte den Frust der Protestier­enden erklären. Genau wie die reißerisch­e Medienberi­chterstatt­ung und höhnischen Kommentare auf Twitter.

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Auf der Demonstrat­ion kam es zu Ausschreit­ungen, Gruppen griffen Geschäfte und Autos am Rande des Aufzuges an.

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