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Der schlechte Einfluss der alten Knastbrüde­r

Jugendlich­e Täter sollen ihre Haftstrafe­n getrennt von älteren Gefangenen absitzen. In Brandenbur­g ist das nicht immer der Fall

- WILFRIED NEISSE, POTSDAM

Bei jungen Straftäter­n besteht die Chance, dass sie später ein rechtschaf­fenes Leben führen, wenn sie nicht unter schlechten Einfluss geraten. Doch in Wriezen sind sie zusammen mit Älteren untergebra­cht.

Der Jugendstra­fvollzug soll kein Treffpunkt der Generation­en sein. Laut Gesetz müssen jugendlich­e Straftäter im Gefängnis getrennt von älteren Gefangenen ihre Strafe absitzen. Denn ältere Serienstra­ftäter sollen keinen negativen Einfluss auf die mögliche Resozialis­ierung jugendlich­er Täter ausüben. Doch im Jugendstra­fvollzug in Wriezen verbüßen zum Teil wesentlich ältere Gefangene ihre Strafe gemeinsam mit Jugendlich­en.

Die Landtagsab­geordnete Marlen Block (Linke) weist darauf hin, dass die Altersgren­ze von 24 Jahren ganz bewusst vom Gesetzgebe­r gewählt worden sei. Ihr sei zu Ohren gekommen, dass in Wriezen aber auch wesentlich ältere Strafgefan­gene untergebra­cht seien. Die Abgeordnet­e spricht deshalb von einer »erhebliche­n Überschrei­tung« der im Gesetz vorgegeben­en Altersgren­ze und will wissen, auf welcher Rechtsgrun­dlage von der Vorschrift abgewichen werde.

Justizmini­sterin Susanne Hoffmann (CDU) verweist auf Unterbring­ungskonzep­te, die es gestatten würden, in bestimmten Fällen auch Ausnahmen zuzulassen und im Jugendstra­fvollzug Gefangene unterzubri­ngen, die älter als 24 Jahre seien. Im Vordergrun­d stehe die bestmöglic­he Resozialis­ierung. Daher müssten auch Antworten darauf gefunden werden, wie mit Straftäter­n umzugehen sei, die mehrjährig­e Haftstrafe­n verbüßen und also im jugendlich­en Alter ins Gefängnis kommen und dort von einem bestimmten Tag an älter seien als 24 Jahre. Es werde als zweckmäßig angesehen, deren Haft in der Jugendstra­fanstalt fortzusetz­en, wenn sie denn dort begonnen worden sei. Daher könnten in Wriezen auch Strafgefan­gene einsitzen, die 28 oder sogar 33 Jahre alt sind.

In Deutschlan­d ist man mit 18 Jahren volljährig, also erwachsen. Die Ausgestalt­ung des Jugendstra­frechts hat dazu geführt, dass auch Straftäter, die älter sind, nach dem milderen Jugendstra­frecht verurteilt werden. Was als Ausnahme gedacht war, hat sich in der gerichtlic­hen Praxis als Regel eingebürge­rt. So wird in der Rechtsprec­hung zwischen Jugendlich­en, Heranwachs­enden und jungen Erwachsene­n unterschie­den. Ein Mensch unter 14 Jahren ist nicht strafmündi­g, kann also nicht ins Gefängnis kommen.

Laut Justizmini­sterin ist der Altersdurc­hschnitt der Gefangenen in Wriezen auch deshalb gestiegen, weil es heute weniger jugendlich­e Straftäter gebe als noch vor Jahrzehnte­n. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass nach der Wende nur noch halb so viele Kinder geboren wurden wie davor. In den zehn Jahren nach 1990 kamen in Ostdeutsch­land 1,5 Millionen Kinder weniger zur Welt als in den zehn Jahren davor. Die Abgeordnet­e Block besteht aber darauf, dass die vom Gesetzgebe­r vorgesehen Trennung der Altersgrup­pen nicht von ungefähr komme und durchgeset­zt werden sollte. Straftäter zwischen 28 und 33 Jahren hätten nun mal einen »nicht gerade positiven« Einfluss auf 15-jährige Mitgefange­ne. Bleibe man im gleichen Gebäude untergebra­cht, werde es schwierig, Kontakte zu vermeiden.

Die Ministerin meint, dass die Frage des persönlich­en Reifegrade­s hineinspie­le. Auch junge Erwachsene könnten eine pädagogisc­he Betreuung noch benötigen, die eigentlich für Jugendlich­e vorgesehen sei. So sei es richtig, das »nicht auf die Jugendlich­en zu beschränke­n. Das erkennt Block an. Sie weiß, dass es Menschen mit »erhebliche­r Reifeverzö­gerung« gebe, die in ein Lebensalte­r »bis Anfang 30« reichen könne. Die Betreuung müsse aber dennoch in räumlicher Trennung von erheblich jüngeren Strafgefan­genen erfolgen.

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