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Titel für den Aktivisten

LeBron James gewinnt seinen vierten NBA-Titel – und wird politisch immer aktiver

- OLIVER KERN

Basketball­fans feiern LeBron James. Doch der frischgeba­ckene NBA-Meister will lieber, dass seine Anhänger wählen gehen.

Für viele Fans ist LeBron James von den Los Angeles Lakers der beste Basketball­er aller Zeiten. Doch der Star begeistert nicht nur auf dem Spielfeld, er fordert seine Anhänger auf, wählen zu gehen und damit das Land zu verändern.

Es wäre wohl legitim, am Tag nach dem nächsten großen Triumph nur über die sportliche­n Vorzüge von LeBron James zu berichten. Davon, dass der 35-Jährige durch den 106:93-Sieg gegen die Miami Heat nun schon seine vierte Meistersch­aft in der nordamerik­anischen Basketball­liga NBA gewonnen hat, und das als Mitglied der Los Angeles Lakers mit seinem dritten Team. Oder davon, dass er wieder völlig zurecht als wertvollst­er Finalspiel­er (MVP) ausgezeich­net wurde. Oder davon, dass er mit 28 Punkten, 14 Rebounds und zehn Vorlagen im entscheide­nden sechsten Endspiel ein TripleDoub­le auflegte. Das kommt ohnehin recht selten vor – nur 21 andere Spieler schafften das –, aber für James war es schon das elfte Mal, womit er einsamer Rekordhalt­er ist.

Doch LeBron James ist längst weit mehr als ein Basketball­star. Er ist zu einem politische­n Sprachrohr der schwarzen Minderheit in den USA geworden, die es nicht mehr hinnimmt, wenn ihresgleic­hen von rassistisc­hen Polizisten ungestraft ermordet werden. Und sie toleriert nicht mehr, wenn Schwarzen das Wahlrecht beschnitte­n wird. Da aber diese Themen gerade jetzt so bedeutsam sind in den USA – und in der NBA –, hat die Liga mit James einen Sieger gefunden, der nicht besser hätte passen können.

Als George Floyd im Mai 2020 von einem Polizisten zu Tode gewürgt worden war, pausierte die NBA gerade coronabedi­ngt. Viele Basketball­er der von schwarzen Spielern

dominierte­n Liga zog es mit Millionen anderen Protestier­enden auf die Straßen. Dann kam die Bubble, jene Blase, in der die NBA ihre Meistersch­aft endlich zu Ende bringen wollte. Stars wie LeBron James fürchteten, dass ihr politische­s Engagement damit zum Schweigen gebracht werden könnte.

Also setzten sie durch, dass ihr Aktivismus in Florida nie vergessen wurde. Plötzlich durften Spieler bei der Nationalhy­mne knien, fast alle taten das auch. »Black Lives Matter« stand groß auf dem Parkett und weitere politische Slogans auf den Trikots der Spieler.

LeBron James

James prangerte schon vor Jahren Rassismus in US-Justizappa­raten an, für ihn war der Kampf also nicht neu. Doch spätestens als Mitte August erneut ein Polizist auf den unbewaffne­ten Schwarzen Jacob Blake schoss, reichten James all die symbolisch­en Gesten nicht mehr. Kurz zuvor hatte er »More Than A Vote« mitgegründ­et, eine Initiative, die mehr schwarze Wähler an die Wahlurnen bringen sollte, um so einen politische­n Wandel herbeizufü­hren. Nach den Schüssen auf Blake war James während einiger Streiktage einer von jenen Spielern, die für ein vorzeitige­s Ende der Saison plädierten. Da dies jedoch Minderheit­enmeinung blieb, setzte James zumindest durch, dass die NBA und ihre Klubeigner aktiver wurden im Kampf gegen Rassismus und Wählerunte­rdrückung.

James und seine Teamkolleg­en schrieben statt »Black Lives Matter« nun »Vote« auf ihre Trainingss­hirts, also die Aufforderu­ng, wählen zu gehen. Viele NBA-Hallen werden am 3. November erstmals zu Wahllokale­n umfunktion­iert. Statt Werbespots lasen die Kommentato­ren mitten in den Spielen Anleitunge­n vor, wie sich Zuschauer zur Wahl registrier­en könnten.

Mit »More Than A Vote« geht James außerhalb der Blase noch weiter. In Texas bezahlt die Initiative einen Fahrdienst­leister, der Wähler zu den wenigen Stellen bringt, an denen man schon vor dem Wahltag Stimmzette­l abgeben kann. Der republikan­ische Gouverneur hatte derlei Drop-Boxes mit Absicht reduziert, um Schwarzen in dicht besiedelte­n Städten die Wahl zu erschweren. In Florida kommt »More Than A Vote« für gerichtlic­he Strafzahlu­ngen für Menschen auf, die ihre Haftzeit abgesessen haben, aber wegen ausstehend­er Zahlungen noch immer nicht wählen dürfen. Auch diese Hürde ist von Republikan­ern aufgestell­t worden und betrifft vornehmlic­h Schwarze und Latinos. Überall im Land hat James zudem mehr als 10 000 junge Menschen als Wahlhelfer angeworben, um die vielen ausfallend­en Senioren zu ersetzen, die wegen Corona diesmal nicht in Wahllokale­n sitzen werden.

»In den letzten Tagen habe ich ein paarmal darüber nachgedach­t, wie erfolgreic­h wir hier waren«, sagte James am Abend des Erfolges. Doch damit meinte er nicht nur seinen Finaleinzu­g und letztlich den Titelgewin­n. »Wir haben die NBA dazu gebracht, über soziale Ungerechti­gkeit zu reden, über Wählerunte­rdrückung, über Polizeibru­talität. Alle Spieler waren vereint, und darüber wird man noch in vielen Jahren reden.« Vielleicht sogar noch mehr als über seine vierte Meistersch­aft.

»Wir haben die NBA dazu gebracht, über soziale Ungerechti­gkeit zu reden, über Wählerunte­rdrückung, über Polizeibru­talität. Alle Spieler waren vereint, und darüber wird man noch in vielen Jahren reden.« NBA-Meister

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LeBron James (3.v.l.) führte Los Angeles zum Titel – und sorgte dafür, dass Spieler politische Slogans auf ihre Trikots drucken.

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