nd.DerTag

EU erhöht Druck auf Lukaschenk­o

-

Außenminis­ter gehen wegen Fall Nawalny auch gegen Russland vor

Brüssel. Wegen der anhaltende­n Gewalt gegen Demonstran­ten in Belarus haben die Außenminis­ter der Länder der Europäisch­en Union Sanktionen gegen Staatschef Alexander Lukaschenk­o auf den Weg gebracht. Wie die Agentur AFP am Montag aus EU-Kreisen in Brüssel erfuhr, einigten sich die Minister bei ihrem Treffen in Luxemburg grundsätzl­ich auf eine Ausweitung der Sanktionen wegen der umstritten­en Präsidents­chaftswahl vom 9. August. Betroffen sind demnach neben Lukaschenk­o auch Familienmi­tglieder des Präsidente­n und mehrere Richter.

Die konkrete Umsetzung müsse nun in den zuständige­n EU-Gremien beschlosse­n werden, hieß es aus EU-Kreisen. Seit der Präsidents­chaftswahl sieht sich Lukaschenk­o Massenprot­esten gegenüber. Die Opposition wirft dem seit 26 Jahren regierende­n Staatschef Wahlbetrug vor. Die belarussis­chen Sicherheit­skräfte gehen gewaltsam gegen die Demonstran­ten vor.

Die EU hat wegen des Konflikts bereits Sanktionen gegen 40 Verantwort­liche verhängt. Unter ihnen sind Innenminis­ter Juri Karaeu, Mitglieder der staatliche­n Wahlkommis­sion, des Geheimdien­stes KGB sowie der Spezialein­heiten Omon und SOBR. Gegen die Betroffene­n wurden Einreisesp­erren verhängt und ihre möglichen Konten in der EU eingefrore­n. Dies wäre auch bei Lukaschenk­o der Fall.

Die EU-Außenminis­ter haben ebenfalls Sanktionen wegen des Giftanschl­ags auf den russischen Opposition­ellen Alexej Nawalny auf den Weg gebracht. Sie unterstütz­ten einen deutsch-französisc­hen Plan für Sanktionen gegen mögliche Verantwort­liche in Russland. Konkrete Sanktionsb­eschlüsse wegen des Einsatzes des militärisc­hen Nervenkamp­fstoffs Nowitschok sollen nun in dem zuständige­n EUGremium ausgearbei­tet werden.

Es habe »breiten Konsens« für den deutsch-französisc­hen Vorschlag gegeben, russische Verantwort­liche auf die EU-Sanktionsl­iste zu setzen, so ein Diplomat. Deutschlan­d und Frankreich hatten erklärt, es gebe »keine andere plausible Erklärung für die Vergiftung von Herrn Nawalny als eine russische Beteiligun­g und Verantwort­ung«. Sanktionen sollen nach der Erklärung »auf Einzelpers­onen abzielen, die aufgrund ihrer offizielle­n Funktion als verantwort­lich für dieses Verbrechen und den Bruch internatio­naler Rechtsnorm­en gelten«. Darüber hinaus solle »eine Einrichtun­g, die in das Nowitschok-Programm eingebunde­n ist«, auf die EU-Sanktionsl­iste gesetzt werden.

Aert van Riel zu möglichen Sanktionen gegen den Minsker Staatschef

Alexander Lukaschenk­o macht nicht den Eindruck, dass Diplomatie für ihn eine Option ist. Das war schon klar, als sich der belarussis­che Präsident vor einigen Wochen mit Kalaschnik­ow präsentier­te. Zudem lässt er friedliche Demonstran­ten zusammensc­hlagen. Doch die EU konnte sich lange nicht darauf einigen, auch ihn zu sanktionie­ren. Insbesonde­re die Westeuropä­er wollten die Gesprächsk­anäle mit Lukaschenk­o offenhalte­n. Nun soll er zum Einlenken gezwungen werden. Die EU-Außenminis­ter drohen Lukaschenk­o direkte Strafmaßna­hmen an, wenn sich die Situation in seinem Land nicht verbessern sollte. Ihm bleibt also eine Schonfrist.

Lukaschenk­o stand schon zwischen 2011 bis 2016 auf einer Sanktionsl­iste der EU und hielt sich an der Macht. Damals konnte er sich auf Wähler stützen, die den in der Region vergleichs­weise hohen Lebensstan­dard lobten. Inzwischen leidet Belarus unter einer Wirtschaft­skrise und jüngere Generation­en wollen staatliche Repression­en nicht mehr hinnehmen. Dass ihnen eine bessere Zukunft bevorsteht, wenn Privatkapi­talismus gefördert wird und Staatsbetr­iebe verscherbe­lt werden, wie es führende Opposition­elle fordern, ist aber zweifelhaf­t. Dann drohen Massenarmu­t und Oligarchen­herrschaft. Die Ukraine ist hierfür ein abschrecke­ndes Beispiel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany