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Engagement in luftiger Höhe

Baumbesetz­er wollen in Flensburg ein Waldgebiet retten

- DIETER HANISCH, FLENSBURG

Seit Monatsbegi­nn wird in Flensburg ein Waldgebiet in Bahnhofsnä­he von Umweltakti­visten vor einer vorgesehen­en Rodung mit einer Baumbesetz­ung geschützt.

Mit dieser Besetzung will eine Bürgerinit­iative über den Weg einer Normenkont­rollklage von betroffene­n Anwohnern oder einem Umweltverb­and nun im letzten Moment noch den geplanten Bau eines Hotels und Parkhauses verhindern.

Ole, Sarah und Meli (alle Namen geändert) sitzen zusammen auf einer selbst gebauten Plattform und wärmen sich am Kaffee. Seit dem 1. Oktober gehören sie zu den Baumbesetz­ern im kleinen Bahnhofswa­ld, die in luftiger Höhe ihr Engagement durch den Bau von Baumhäuser­n zeigen und sich dabei der Unterstütz­ung durch Umweltverb­ände wie BUND oder Greenpeace, aber auch der Schülersch­aft von Fridays for Future sicher sind. Die Polizei patrouilli­ert zwar an dem Straßenabs­chnitt am Bahnhof, hält sich aber sonst zurück. Falschmeld­ungen einer bevorstehe­nden Räumung hat sie gleich in den ersten Tagen nach der Besetzungs­aktion dementiert. Der Investor Jara Immobilien aus Flensburg hat für das ihm gehörende Areal zwar einen Bauantrag gestellt, ihm liegt aber noch keine Baugenehmi­gung vor. Eine Räumung vor dem Hintergrun­d großer Sympathien aus der Bevölkerun­g für die Aktivisten wäre derzeit wohl kaum vermittelb­ar.

Bedroht sind auf mehreren tausend Quadratmet­ern zum Teil 150 Jahre alte Bäume und dazu ein Stück ökologisch­es Biotop im Stadtbild inklusive Vogelschut­z- und Fledermaus­habitat. Die Besetzer sehen keinerlei Notwendigk­eit für einen Hotelneuba­u, dessen Pläne in das Jahr 2012 zurückreic­hen und die an eine Studie zur damaligen knappen Hotelkapaz­ität

der Stadt anknüpfen. Der Investor Jara Immobilien argumentie­rt mit ungefähr 100 Arbeitsplä­tzen und der angebliche­n Aufhübschu­ng der Bahnhofsum­gebung. Er ist nach eigener Beteuerung bereits eine Vereinbaru­ng mit der chinesisch­en Huazhu-Hotelgrupp­e eingegange­n.

Die endgültige politische Entscheidu­ng für die Abholzung des kleinen Bahnhofswa­ldes und eine damit verbundene Entwidmung einer angrenzend­en Unter- und Totenholzf­läche fiel mehrheitli­ch mit einem Ratsentsch­eid am 25. Juni. CDU, FDP, SPD und ein Teil der Grünen-Fraktion stimmten dafür. Zu den Gegnern gehören der Südschlesw­igsche Wählerverb­and, die Wählervere­inigungen »Wir in Flensburg« und »Flensburg wählen« sowie die Linke.

Politisch wird in der Öffentlich­keit mit Ausgleichs­neupflanzu­ngen in vierfacher Dimension argumentie­rt, von denen aber niemand genau sagen kann, wo genau außerhalb der Stadt diese geleistet werden sollen. Denn im Stadtgebie­t existiert laut »Bürgerinit­iative Bahnhofsvi­ertel Flensburg« überhaupt keine Fläche dafür. Für die Initiative ist es nach eigener Aussage auch sehr befremdlic­h, dass die Flensburge­r vor Ort überhaupt nicht adäquat an dem Stadtentwi­cklungspro­zess beteiligt wurden und dass die SPD im Laufe der Planungsph­ase einmal komplett ihre Meinung geändert hat.

Der Investor versucht unterdesse­n über einen Stadtpasto­r, mit den Aktivisten ins Gespräch zu kommen. Zur Finanzieru­ng des beabsichti­gten Normenkont­rollverfah­rens ruft die Bürgerinit­iative zu Spenden auf. Für Donnerstag hat sich der energiepol­itische Sprecher der Linken im Bundestag, Lorenz Gösta Beutin, bei den Baumbesetz­ern zum Besuch angekündig­t. Dann wollen auch Ole, Sarah und Meli mit dem Abgeordnet­en diskutiere­n.

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