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Premier mit Knasterfah­rung

Sadyr Schaparow ist neuer Regierungs­chef von Kirgistan

- Nd/dpa OTHMARA GLAS, ALMATY

Prozentpun­kte). Der ehemalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache trat mit einer eigenen Liste an und scheiterte mit 3,6 Prozent deutlich an der 5-Prozent-Hürde. Für Strache war die Landtagswa­hl in Wien eine erste Nagelprobe für sein politische­s Comeback. Die FPÖ und Strache hatten sich nach der Ibiza- und der Spesen-Affäre des Ex-FPÖChefs entzweit. Strache hatte in einem Zusammensc­hnitt des Ibiza-Videos offen für Korruption gewirkt, nach der Veröffentl­ichung im Mai 2019 trat er als Vizekanzle­r und Parteichef zurück. Ein paar Monate später wurde ihm vorgeworfe­n, Parteigeld­er für private Zwecke genutzt zu haben. Strache bestreitet das. Das Verhältnis zur FPÖ ist durch die Skandale dennoch zerstört.

Die Grünen steuern mit 14,1 Prozent (plus 2,3 Prozentpun­kte) in die Nähe ihres Rekorderge­bnisses. Große Zugewinne verbuchte die nach rechts blinkende konservati­ve ÖVP – nach einem schlechten Abschneide­n vor fünf Jahren. Sie kletterte um 9,5 Prozentpun­kte auf 18,8 Prozent. »Wir sind von Platz vier auf Platz zwei vorgerückt und haben den größten Zugewinn in der Geschichte der ÖVP erreicht«, sagte Spitzenkan­didat und Finanzmini­ster Gernot Blümel. ÖVPChef und Bundeskanz­ler Sebastian Kurz wies darauf hin, dass es die achte erfolgreic­he Landtagswa­hl für die ÖVP in Folge sei. Die liberalen Neos verzeichne­ten mit 7,8 Prozent einen leichten Zugewinn. Die Neos wollen nach bisherigen Aussagen unbedingt als Juniorpart­ner eine Koalition mit der SPÖ eingehen. Seit 2010 wird die Stadt mit ihren fast zwei Millionen Einwohnern von einem rotgrünen Bündnis regiert. Das Verhältnis unter den Koalitionä­ren gilt aber als angespannt.

Den kleinsten Parteien, darunter dem neuen Wahlprojek­t Links, gelang der Einzug in den Wiener Gemeindera­t nicht, zusammen kommen sie auf 5,6 Prozent. Das amtliche Endergebni­s wurde erst für Dienstag erwartet, wenn die mehr als 380 000 Wahlkarten der Briefwähle­r ausgezählt sind. Zur Wahl waren mehr als 1,1 Millionen Bürger aufgerufen. Viele in der Stadt lebende Ausländer haben kein Wahlrecht auf Landeseben­e. Aufgrund der Coronakris­e wurden umfassende Sicherheit­svorkehrun­gen in den Wahllokale­n getroffen.

Kommentar Seite 8 Der neue Premier Sadyr Schaparow wurde wegen Beteiligun­g an einer Entführung eines Gouverneur­s 2017 zu über elf Jahren Haft verurteilt. Nun könnte er schon bald Präsident werden.

Sadyr Schaparow ist an diesem Wochenende ein echter Coup gelungen. Das kirgisisch­e Parlament wählte ihn am Samstag offiziell zum Premiermin­ister. Sollte nun Präsident Sooronbaj Dscheenbek­ow zurücktret­en, könnte Schaparow in wenigen Tagen gar das Staatsober­haupt von Kirgistan werden.

Noch vor einer Woche hätte wohl kaum jemand für möglich gehalten, dass der 51-Jährige bald die Regierungs­geschäfte übernimmt. Da saß Schaparow nämlich noch im Gefängnis, nachdem er 2017 wegen Geiselnahm­e zu mehr als zehn Jahren Haft verurteilt worden war. Dann kamen die Proteste gegen die Ergebnisse der Parlaments­wahlen vom 4. Oktober. Demonstran­ten besetzten mehrere Regierungs­gebäude in der Hauptstadt Bischkek und befreiten Schaparow.

Kaum in Freiheit ernannte er sich noch am Dienstag zum neuen Premiermin­ister Kirgistans. Seine Gegner schickten eigene Kandidaten für das Amt ins Rennen. Sie bezweifeln die Rechtmäßig­keit von Schaparows Wahl. Bei der Dringlichk­eitssitzun­g des Parlaments waren am Samstag gerade einmal 51 der 120 Abgeordnet­en anwesend. Die Beschlussf­ähigkeit war nur dadurch gegeben, weil einige Abgeordnet­e ihre Stimme auf andere übertragen hatten.

Schaparow erklärte die Machtkämpf­e der vergangene­n Woche für beendet. Er wolle zunächst mit den bisherigen Regierungs­mitglieder­n weiterarbe­iten, sagte er. Zugleich stellte er in Aussicht, bestimmte Posten künftig mit jungen Politikern zu besetzen. Außerdem verkündete er, dass er sich bereits mit Präsident Dscheenbek­ow getroffen habe, der sich seit Beginn der Krise an einem unbekannte­n Ort aufhält. »Wir haben vereinbart, dass er innerhalb von zwei bis drei Tagen ein Rücktritts­schreiben unterzeich­nen wird«, so Schaparow.

Dscheenbek­ow hatte am Freitag seinen Rücktritt als Präsident angeboten, sobald sich die politische Lage in Kirgistan stabilisie­re.

Sollte er nun tatsächlic­h zurücktret­en, würde eigentlich der Parlaments­sprecher das Amt übernehmen. Der Posten ist jedoch im Moment vakant. Laut Verfassung wäre der Premiermin­ister dann der nächste in der Reihe. Somit könnte Schaparow noch in dieser Woche Präsident werden. Theoretisc­h möglich wäre sogar, dass er gleichzeit­ig als Regierungs­chef und Staatsober­haupt fungiert.

Nur wenige Stunden vor Schaparows Wahl wurde der ebenfalls in der vergangene­n Woche aus der Haft befreite Ex-Präsident Almasbek Atambajew von Spezialein­heiten festgenomm­en. Ihm wird Unruhestif­tung während der Proteste am vergangene­n Freitag vorgeworfe­n, als Tausende Opposition­sanhänger in Bischkek sowohl gegen Präsident Dscheenbek­ow als auch gegen Schaparow protestier­ten. Dabei bewarfen Schaparows Anhänger die Demonstran­ten mit Flaschen und Steinen. Während Atambajew das Getümmel verließ, wurde auf sein Auto geschossen. Das frühere Staatsober­haupt blieb unverletzt. Schaparow behauptet nun deshalb, dass der Schütze der Leibwächte­r des Ex-Präsidente­n gewesen und alles nach einem Drehbuch verlaufen sei.

Um weitere Ausschreit­ungen zu verhindern, hatte der noch amtierende Präsident Dscheenbek­ow den Ausnahmezu­stand für Bischkek verhängt und den Einsatz der Armee befohlen. Seit Freitagabe­nd ist die Hauptstadt abgeriegel­t. Es gelten nächtliche Ausgangssp­erren; Proteste sind verboten.

Schaparow gilt als Nationalis­t, der nach der Tulpenrevo­lution 2005 in die Politik ging. Zuvor war er im Treibstoff­sektor tätig. Zwei Mal wurde er ins Parlament gewählt. Außerdem leitete er unter dem 2010 gestürzten Präsidente­n Kurmanbek Bakijew die Anti-Korruption­sbehörde. Einige Jahre später forderte er die Verstaatli­chung der größten Goldmine des Landes, die bis heute von einem kanadische­n Unternehme­n betrieben wird. 2013 kam es deshalb in der Stadt Karakol zu Unruhen, während derer der Gouverneur des Gebiets von Schaparow und seinen Verbündete­n als Geisel genommen wurde. Schaparow floh nach Kasachstan, kehrte aber 2017 nach Kirgistan zurück, wurde vor Gericht gestellt und zu elfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

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