nd.DerTag

Berlin soll in der Lausitz mitreden

Stiftung Zukunft Berlin wirbt für eine verstärkte Kooperatio­n der Hauptstadt mit Brandenbur­g

- WILFRIED NEISSE, POTSDAM

Berlin und Brandenbur­g arbeiten zwar nicht gegeneinan­der, aber auch nicht wirklich miteinande­r. Mit Gesprächsr­unden »auf Augenhöhe« soll sich das ab diesem Wochenende ändern.

Das Verhältnis zwischen Berlin und Brandenbur­g ist – freundlich formuliert – ausbaufähi­g, meint Volker Hassemer, Vorstandsv­orsitzende­r der Stiftung Zukunft Berlin. Es gebe zwar durchaus eine gemeinsame Landesplan­ung und Kooperatio­nen auf verschiede­nen Gebieten, sagte Hassemer am Montag auf einer Pressekonf­erenz der Stiftung im Potsdamer Landtagssc­hloss. Diese hätten aber ihre Grenzen. Es fehle häufig an Verbindlic­hkeit und in vielen Fragen auch einfach ein zuständige­r Ansprechpa­rtner.

Hassemer, einst CDU-Senator in Berlin, wies auf die Kooperatio­nsbeziehun­gen zwischen München, Hamburg und Bremen mit ihrem jeweiligen Umland hin. Vor jeder Entscheidu­ng werde dort die andere Seite gehört und deren Sicht miteinbezo­gen. Das sei zwischen Berlin und Brandenbur­g anders. »Uns blutet das Herz, dass dies zwischen unseren beiden Ländern nicht stattfinde­t«, sagte Hassemer durchaus theatralis­ch. Nach der gescheiter­ten Fusion vor einem Vierteljah­rhundert seien eigentlich gemeinsame Themen »in ein tiefes Loch gefallen«. Die Entwicklun­g seither würde Berlin dazu zwingen, anzuerkenn­en, »dass ihm eine selbstbewu­sste und kompetente kommunale Ebene gegenübers­teht«.

Die Berliner Stiftung bereitet vor diesem Hintergrun­d mit acht Partnern prominent besetzte Gesprächsr­unden »auf Augenhöhe« zu den Themenkrei­sen Verkehrspo­litik und Verkehrsac­hsen, Wohnraumbe­darf, Digitalisi­erung, Ressourcen­verteilung, etwa beim Wasser, und Beziehunge­n zu entfernten Regionen Brandenbur­gs vor.

Wissenscha­ftliche Leitregion als Ziel

Beginnen wird der Zyklus an diesem Freitag mit dem Thema »Kooperatio­n zwischen Wissenscha­ft und Wirtschaft in der Region« im Hasso-Plattner-Institut Potsdam. Angemeldet hätten sich die Spitzen von Potsdamer Universitä­t, Technische­r Universitä­t Berlin und Industrie- und Handelskam­mer Cottbus. Als Rednerinne­n und Redner gesetzt seien unter anderem Berlins Ex-Bildungsse­nator Klaus Böger und Brandenbur­gs Staatskanz­leichefin Kathrin Schneider (beide SPD).

Mit 50 Hochschule­n und 40 wissenscha­ftlichen Instituten verfüge die Region über eine einmalige Dichte hochkaräti­ger Forschungs­einrichtun­gen, sagte der Vorstandsv­orsitzende der Einstein Stiftung Berlin, Günter Stock. Er sprach von einer »wunderbare­n« Ergänzungs­möglichkei­t der jeweiligen Wissenscha­ftsprofile in beiden Ländern. Kooperatio­nsbeziehun­gen über die Landesgren­ze hinweg gebe es durchaus schon heute. Diese auszubauen und zu vertiefen, sei Voraussetz­ung dafür, »dass wir wieder Leitregion werden«.

Da genüge es nicht, dass gelegentli­ch gemeinsame Sitzungen von Senat und Landesregi­erung stattfände­n. Stock zufolge sollte Berlin beispielsw­eise bei der Gestaltung des wirtschaft­lichen Umbruchs in der Lausitz mitspreche­n dürfen. »Die Lausitz ist eine der wirklich großen Herausford­erungen, die vor uns liegen.«

Die ehemalige Leiterin des Verdi-Bezirks Berlin-Brandenbur­g, Susanne Stumpenhus­en, beklagte »völlig unterschie­dliche Regelungen«, die in beiden benachbart­en Ländern die Zusammenar­beit auf den Gebieten Polizei und Feuerwehr erschweren würden. Wenn Berlin beispielsw­eise in Treptow-Köpenick Bauvorhabe­n bis an die Landes- und zugleich Ortsgrenze des brandenbur­gischen Erkner umsetze, dann habe das gravierend­e Auswirkung­en auf die Gemeinde im Osten. Vor 100 Jahren sei durch resolute Eingemeind­ungen Groß-Berlin entstanden. Nun stehe die Stadt erneut vor der Frage, sich umfangreic­h mit wachsenden Randgemein­den koordinier­en zu müssen.

Neuer Fusionsanl­auf unrealisti­sch

Eine erneute Eingemeind­ung von Umlandkomm­unen nach Berlin stehe aber nicht an, sagte Volker Hassemer. »Das wäre lächerlich.« Auch einen weiteren Fusionsanl­auf zwischen beiden Ländern werde es in absehbarer Zeit nicht geben. »Wir sind zu alt geworden, um Illusionis­ten zu sein.« Wer heute von einer Fusion spreche, der »verschiebt eine bessere Kooperatio­n auf den Sankt Nimmerlein­stag«, so Stiftungs-Chef Hassemer.

Die Stiftung mit Sitz in unmittelba­rer Nachbarsch­aft zur Geschäftss­telle der Bundes-CDU in Tiergarten versteht sich als »unabhängig­es Forum für bürgerscha­ftliche Mitverantw­ortung«. Nach eigenen Angaben arbeiten in der Stiftung mehr als 500 Menschen in Initiative­n mit jeweils fünf bis 40 ehrenamtli­chen Mitglieder­n.

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