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Kids hinter Plexiglas

Kompletter Irrsinn: Das Extra zur Pandemie der Serie »South Park«

- PETER FLEDDER

Die bekannte US-amerikanis­che Zeichentri­ckserie »South Park« hat ein »Pandemic Special« herausgebr­acht. Unter Liebhaberi­nnen wie Liebhabern dieser Serie war mit einiger Spannung erwartet worden, was denn die Macher um Trey Parker und Matt Stone zur Jetztzeit zu sagen hätten. Immerhin muss man in der ganzen Virusangel­egenheit auch den Humor wiederfind­en. Die Geschichte um eine Gruppe Kinder der South Park Elementary School bietet seit über 20 Jahren ein hübsches Panoptikum unserer spätkapita­listischen Totalität, durchaus in der Tradition der »Simpsons«, aber ungeschmin­kter und radikaler. Der Humor der Serie besteht darin, die Gegenwart zu spiegeln und dabei sämtliche Widersprüc­he in ihrer Brutalität nicht zu glätten, sondern stehen zu lassen. Moralfreih­eit ist hier die Grundlage des Witzes. Die Ästhetik – Zeichentri­ck ist hier noch das angemessen­e Wort, da die Figuren mit dem Computer so animiert werden, als wären sie aus Tonpapier geschnitte­n und über den Hintergrun­d geklebt – diente stets dazu, der Welt ihre eigene Verdinglic­hung und Entfremdun­g zu präsentier­en, ihr ihre eigene Melodie vorzuspiel­en.

Von dem »Pandemic Special« hätte man also ein Feuerwerk der surrealen Ereignisse erwarten können. Doch die für »South Park« mit 47 Minuten überlange Folge ist recht brav. WHO, Politik und Medien mit ihren propagandi­stischen Verlautbar­ungen werden eher mit zu wenig Spott bedacht. Der Virologe Anthony Fauci bekommt immerhin einen kleinen Auftritt, sein bekanntest­er Gegenspiel­er, der Epidemiolo­ge John Ioannides, fehlt hingegen, obwohl sich dessen prägnante Visage für »South Park« bestens geeignet hätte. Zu kurz kommt auch die facettenre­iche Verarbeitu­ng der Propaganda durch die Bevölkerun­g, sei es durch Überaffirm­ation oder Leugnung. Immerhin hat der psychotisc­h veranlagte Cartman einen Stock, um seine Mitmensche­n auf den Mindestabs­tand zu halten, bevorzugt seine Mutter im eigenen Haus. Die Bewohner von South Park tragen ihre Maske zunächst nur am Kinn, nicht ohne sich gegenseiti­g zu ermahnen, dass solch ein Kinnschutz sehr wichtig sei. Es hätte noch mehr gesellscha­ftlichen Irrsinn als Material gegeben. Dummerweis­e gibt es stattdesse­n einen Handlungss­trang mit aufgebläht­en Obszönität­en über den Ursprung des Virus.

Das und anderes Überflüssi­ges weggelasse­n, passiert Folgendes: Cartman genießt die Schulschli­eßung, bis die Kids, unter Zoom-Gezeter der Eltern, wieder in den Unterricht müssen, isoliert in Plexiglast­errarien und mit dem obligatori­schen Mund-Nase-Schutz. Der Polizei wurden die Mittel gestrichen, daher setzt man sie nun als Lehrer ein. Bei der ersten Ruhestörun­g durch die Schüler eröffnet sie prompt das Feuer und schießt einen schwarzen Jungen an. Der Fall wird als Covid eingestuft, folgericht­ig werden die Kinder in der Schule zwangsquar­antänisier­t, überwacht von den nun mit Knüppeln ausgerüste­ten Polizisten – unterlegt von Musik, die John Carpenter nachempfun­den ist. Der nervös-sensible Butters dreht durch und wird in Isolations­haft gesteckt, was die Kinder als Anlass für ihre Flucht aus dem Schulgefän­gnis nehmen. Die Bevölkerun­g gerät in Panik, die Kinder gelten als Supersprea­der. Es kommt zu Plünderung­en und Massenschl­ägereien in der durch den Shutdown verödeten Innenstadt. Die Polizei kommt wieder ins Spiel, mit schwerem Kriegsgerä­t soll sie für Ordnung sorgen.

Soweit passt es: Der Virenausna­hmezustand wird in seiner Repressivi­tät gezeigt und geht zwanglos in dem normalen Ausnahmezu­stand über, den man auch schon vorher kannte. Als die Kids über die Rückkehr zu Normalität sprechen, sagt Cartman zu Stan: »Über welches normal redest Du eigentlich?!« Das wäre wohl die Frage, die sich nach dem Verschwind­en der unmittelba­ren Angst vorm Virus stellt.

»Pandemic Special« auf Comedy Central

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