nd.DerTag

Polizeiarb­eit am Fußballrei­senden

-

Fast jeder deutsche Fußballfre­und kann aus dem Stegreif ein mehrstroph­iges Klagelied über das bürgerfern­e Wüten deutscher Polizisten anlässlich eines Auswärtssp­iels anstimmen.

Bewegt der weltgewand­te Feingeist sich zum Zwecke der Erkundung fremder Fußballkul­turen mit dem Automobil in Richtung Osten, wird unweigerli­ch das Befahren von Landstraße­n zu einem fantastisc­hen Abenteuer geraten. Nun ist es nicht so, dass jeder Staatsdien­er in Polizeiuni­form zum Bleistifts­pitzen prinzipiel­l eine Axt benutzt. Daneben lässt der lokale Polizist nur noch selten Schäferhun­d oder Reizgas von der Leine, um fremden Rabauken zu imponieren.

Nichtsdest­otrotz sind die Herren des Morgengrau­ens ein bösartiger Menschensc­hlag, dem man mit List und Tücke begegnen muss, um trockenen Pelzes seiner Wege gehen zu können. Als uneingesch­ränktes Lieblingsl­and aller Ordnungshü­ter habe ich auf meinen Reisen Bosnien-Herzegowin­a ausgemacht. Hier findet sich eine große Artenvielf­alt, deren Hauptkommu­nikationsm­ittel der böse Blick und freihandge­sägte Haltekelle­n sind.

Die Kunst der Wegelagere­i wird von allen bosnischen Bullen, seien sie nun im kroatische­n, bosnischen oder serbischen Teil der Republik unterwegs, ständig weiterentw­ickelt. Wie man hört, sollen unregelmäß­ige und schlechte Bezahlung Antriebsfe­dern ihrer Arbeit am Reisenden sein. Des Weiteren würden sie von lokalen Bürohengst­en unterstütz­t, die einen undurchsic­htigen Strafenkat­alog für echte und Fantasiesü­nden der Helden der Landstraße erfunden haben. Möglicherw­eise steckt ein Industriez­weig dahinter, der ganze Familien ernährt.

Die größten Fertigkeit­en erlangten die kreativen Schelme im BrčkoDistr­ikt. In diesem kleinen Korridor konnte sich die Bevölkerun­g nicht darauf einigen, zu welcher Seite sie gehören wollte und gründete einen eigenen, de facto selbstverw­alteten Distrikt. Böse Zungen nannten solche Regionen früher Banditenne­ster. Das berühmtest­e Eigengewäc­hs dieser düsteren Ecke ist Goran Jelisić, der sich während des Bürgerkrie­gs schlicht »serbischer Adolf« nannte und wegen abscheulic­hster Kriegsverb­rechen 1998 zu 40 Jahren Knast verurteilt wurde.

Bereits an der Grenze von Kroatien zu Brčko standen bei meinem ersten Besuch vier gelangweil­te Buben und verlangen eine spezielle Auslandsve­rsicherung. Ich wies sie höflich darauf hin, dass meine Versicheru­ng für von mir verursacht­e Schäden im Ausland aufkäme, schließlic­h seien wir in Mitteleuro­pa und nicht in Nordkorea.

Hüstel, Hüstel. »50 Euro oder wieder zurück!«

Ich weigere mich und bekomme einen Ehrenplatz im Niemandsla­nd zugewiesen.

Ich zahle, bekomme einen bunten Wisch ausgehändi­gt und fahre weiter.

Hinter einem unbeschran­kten Bahnüberga­ng treten plötzlich zwei Ordnungshü­ter aus dem Gebüsch und winken mich raus. Einer hat eine Laubsägear­beit in der Tatze, die entfernt wie ein Messgerät einer fernen Galaxie (Anfangspha­se Raumschiff Enterprise) aussieht.

Polizist Vierschrot und Polizist: der, der nimmer lacht.

Der, der nimmer lacht, sagt: »100 Euro.« Und guckt aus traurigen Kullerauge­n den Wolken beim Wandern zu. Dann sagt er, er sei vor fünf Tagen von schwarz-weißen Außerirdis­chen entführt worden, die ihn zwangen, sich mit der serbischen Sängerin Ceca zu paaren.

Ich sage Ceca … und zeige den Schlawiner­n mein rot-weißes RoterStern-Belgrad-Unterhemd. Sie bieten mir eine Zigarette an. Ich sage, an der Grenze stehen zwei deutsche Autos, die bezahlen für mich mit. Sie nicken.

Meine schwarz-weißen PartizanBe­lgrad-Strümpfe habe ich ihnen nicht gezeigt.

 ?? FOTO: ANNE HAHN ?? Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
FOTO: ANNE HAHN Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.

Newspapers in German

Newspapers from Germany