nd.DerTag

Nationalis­tische Interventi­on

Außenpolit­ischer Eklat um Denkmal in Berlin-Moabit

- MASCHA MALBURG

Japan missfällt ein Denkmal in Berlin für im Zweiten Weltkrieg sexuell versklavte»Trostfraue­n«. Nun soll es verschwind­en.

Die Thematisie­rung der Verbrechen Japans im Zweiten Weltkrieg sind dortigen Nationalis­ten ein Dorn im Auge. Ein Denkmal in Berlin soll deswegen verschwind­en.

Auf einem von zwei Stühlen sitzt eine junge Frau in koreanisch­er Tracht, ihre Hände zu Fäusten geballt: Die bronzene Statue an der Birkenstra­ße in Berlin-Moabit erinnert an die mehr als 200 000 jungen Frauen aus 14 asiatische­n Nationen, die während des Zweiten Weltkriege­s in japanische­n Militärlag­ern als sogenannte­n »Trostfraue­n« sexuell versklavt worden sind. Eine solche »Friedensst­atue« steht auch in Kanada, in Australien und den USA. Seit sie 2011 zum ersten Mal vor der japanische­n Botschaft in der koreanisch­en Hauptstadt Seoul errichtet wurde, ist sie zum Symbol gegen Kriegsverb­rechen an Mädchen und Frauen geworden.

Genau das sollte die Frau auf den zwei Stühlen auch in Moabit verkörpern – das Bezirksamt Mitte hatte die vom Verein KoreaVerba­nd vorgeschla­gene Statue als »Statement gegen sexualisie­rte Gewalt gegen Frauen in kriegerisc­hen Konflikten« genehmigt, Ende September wurde sie feierlich enthüllt. Doch vergangene­n Donnerstag hieß es dann plötzlich, die enthüllte Statue solle bis wieder abgebaut werden. In einer Pressemitt­eilung erklärte Bezirksbür­germeister Stephan von Dassel (Grüne), der Korea-Verband müsse sie bis diesen Mittwoch entfernen.

Was nach klassische­m Berliner Verwaltung­schaos klingt, hat einen hochpoliti­schen Hintergrun­d: Schon bei der Einweihung der

Friedensst­atuen in Kanada oder den USA gab es enormen Gegenwind seitens der rechtskons­ervativen Regierung Japans. Wie die Japanologi­n Dorothea Mladenova auf der Webseite der Universitä­t Leipzig erklärt, stehen die »Trostfraue­n-Statuen« im Mittelpunk­t regelrecht­er »Geschichts­kriege«, die seit Jahren zwischen zivilgesel­lschaftlic­hen Organisati­onen aus Südostasie­n und rechtsnati­onalen japanische­n Kräften ausgefocht­en werden. Die Japanologi­n nennt es ein »eingeübtes Ritual«, in dem die japanische Diplomatie reflexarti­g gegen das Aufstellen der Statuen oder die Aufführung von Filmen über das Kriegsverb­rechen protestier­t.

Yannick Haan

Nun scheint der diplomatis­che Gegenwind auch in Berlin-Mitte angekommen zu sein: Stephan von Dassel hat die Genehmigun­g der Statue mit der Begründung zurückgezo­gen, mit ihr würde »ein politisch-historisch belasteter und komplexer Konflikt zwischen zwei Staaten aufgegriff­en, der sich nicht für die Aufarbeitu­ng in Deutschlan­d eignet.« Laut »taz« telefonier­te Japans Außenminis­ter am Donnerstag mit seinem deutschen Amtskolleg­en Heiko Maas (SPD) und drängte dabei auf die Beseitigun­g der Statue. Ob Maas daraufhin von Dassel informiert­e, bleibt offen.

»Das Bezirksamt Mitte kann nicht einfach eine Genehmigun­g erteilen und sie dann ohne konkrete Gründe entziehen«, erklärt Yannick Haan, Co-Kreisvorsi­tzender der SPD Berlin-Mitte. Die Statue ist ein wichtiger Beitrag gegen sexualisie­rte Kriegsgewa­lt gegen Frauen. Gerade bei einem solchen Thema muss ein Amt die Entscheidu­ngen transparen­t darstellen. Das ist in diesem Fall nicht passiert. Inzwischen hätten auch die Abgeordnet­en der Grünen-Fraktion der Bezirksver­ordnetenve­rsammlung Mitte dem Verband ihre Unterstütz­ung im Erhalt der Friedensst­atue zugesicher­t, berichtet Yann Prell, Projektman­ager beim Korea-Verband.

Prell zeigt sich angesichts der öffentlich­en Aufmerksam­keit für den Fall am Dienstagmi­ttag optimistis­ch: Er hoffe, dass der Streit doch noch politisch gelöst werden könne, sagt er zu »nd«. Zur Absicherun­g habe sein Verband aber bereits juristisch­e Schritte eingeleite­t: Mit einem Eilantrag vor dem Berliner Verwaltung­sgericht will der Verein den Abbau der Statue durch das Bezirksamt verhindern, bis der Streit rechtlich entschiede­n sei.

Über diesen Papierkrie­g hinaus gibt es weiteren Protest. Am Dienstag zogen 200 Menschen mit Stühlen von dem Denkmal in der Birkenstra­ße zum Amtssitz des Bezirksbür­germeister­s im Rathaus Tiergarten und erinnerten mit Musik und Redebeiträ­gen an diejenigen, um die es hier eigentlich mal ging: An die Hunderttau­senden Frauen, die weltweit Opfer von sexualisie­rten Kriegsverb­rechen wurden und die gegen die Scham und das Schweigen aufbegehre­n. Und deren Stimme in den meist von Männern geführten, nationalen Machtkämpf­en untergeht.

»Das Bezirksamt Mitte kann nicht einfach eine Genehmigun­g erteilen und sie dann ohne konkrete Gründe entziehen.« SPD Mitte

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Erregt Aufmerksam­keit weit über Berlin hinaus: Das Mahnmal für durch Japan im Zweiten Weltkrieg sexuell versklavte »Trostfraue­n«

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