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Tschö, RWE

Landschaft­sverband Westfalen-Lippe verkauft Anteilssch­eine – manche Kommunen tun sich damit schwer

- SEBASTIAN WEIERMANN, DORTMUND

Einige öffentlich­e Eigentümer in Westfalen verkaufen ihre Anteile am Energiekon­zern. Sie haben Besseres mit dem Geld vor.

Viele Städte und Verbände in NordrheinW­estfalen hielten bisher RWE-Aktien. In der vergangene­n Woche gab es einen größeren Verkauf. Ein kleiner Erfolg für die Divestment-Bewegung.

Fast ein Viertel von RWE ist in staatliche­r Hand. Fast 130 Kommunen, Zweckverbä­nde oder städtische Unternehme­n halten Aktien an dem Energiekon­zern. Die meisten kommen aus Nordrhein-Westfalen, wo RWE auch seinen Sitz hat. Lange Zeit waren die Aktien des Konzerns für die dortigen Kommunen eine wichtige Einnahmequ­elle, denn RWE schüttete großzügig Dividenden aus. Die Einnahmen gehörten in mancher Stadt fest zum Haushaltsp­lan. Probleme bei RWE in den vergangene­n Jahren, die mit Verlusten und fallenden Kursen einherging­en, führten auch bei den Kommunen zu Problemen. Mittlerwei­le geht es bei RWE wieder aufwärts. Der Kohleausst­ieg beschert dem Konzern Milliarden, und der Umbau zum reinen Energiepro­duzenten läuft gut. Die RWE-Aktie ist wieder etwas wert. Das und die in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen­e Debatte um Klimaschut­z sorgen für neue Debatten um den Verkauf von RWE-Aktien.

Einen größeren Verkauf gab es Anfang Oktober. Der Landschaft­sverband Westfalen-Lippe (LWL), ein Zusammensc­hluss von Kommunen, der unter anderem Kliniken und Museen betreibt, veräußerte ein Viertel seiner RWE-Aktien. Der Erlös aus dem Verkauf von fast 1,7 Millionen Aktien betrug über 53 Millionen Euro. Geld, das jetzt in die Kulturförd­erung und soziale Projekte gesteckt werden soll. Wie die »Westfälisc­hen Nachrichte­n« berichtete­n, hatte LWL-Direktor Matthias Löb ursprüngli­ch sogar drei Viertel der gehaltenen RWE-Aktien verkaufen wollen. Dagegen sprachen sich allerdings CDU und SPD aus. Löb sieht den Besitz der Anteilsche­ine kritisch: »Wir haben aus der WestLB gelernt, dass wir als Kommunalve­rband nicht beurteilen können, wie sich die Märkte in Kanada, Australien und den USA entwickeln.« Außerdem sei RWE der größte CO2Emitten­t in Europa. Der Verkauf der RWEAktien geht auf einen Beschluss der Landschaft­sversammlu­ng Westfalen-Lippe von vor einem Jahr zurück und fand erst nach der damals gesetzten Frist statt.

Den späten Verkauf kritisiere­n Aktivisten der Gruppe »Fossil Free Münster« – sie hatten 2019 mit einem Baumhaus vor dem Landeshaus des LWL für den Verkauf protestier­t. »Dass der LWL es bei einem Jahr Zeit erst am Tag nach Fristablau­f schafft, seine Aktien zu verkaufen, ist wirklich ein Armutszeug­nis. Das lässt tief blicken, welchen Stellenwer­t der Klimaschut­z im Landschaft­sverband hat«, kritisiert Gustav von Blanckenbu­rg. Der Verkauf jetzt sei nur ein »erster Schritt in die richtige Richtung«, erklärt Fossil-Free-Aktivistin Deborah Größwagen. Er zeige aber, dass der öffentlich­e Druck der Klimabeweg­ung Wirkung

entfalte. Um sich deutlich für den Klimaschut­z zu positionie­ren, müsse der Verband allerdings »alle seine Aktien am Klimakille­r RWE abstoßen«, so Größwagen. Außerdem sei es an der Zeit, Anlagerich­tlinien zu beschließe­n, die Investitio­nen in Kohle, Öl und Gas in Zukunft ausschließ­en.

Ansonsten regt sich derzeit nicht viel, was die Verkäufe von RWE-Aktien in NordrheinW­estfalen betrifft. Vor knapp einem Jahr hatten die Städte Bochum und Düsseldorf ihre Aktien verkauft. In Düsseldorf mit dem dezidierte­n Ziel, mit den Erlösen den Nahverkehr zu stärken. Aus Dortmund, dem größten kommunalen RWE-Aktionär, gibt es hingegen das Bestreben, sich noch stärker an RWE zu beteiligen. Anfang des Jahres äußerte sich der scheidende Oberbürger­meister Ullrich Sierau positiv zu einer Aufstockun­g. RWE treibe den Umbau zum Ökostroman­bieter voran und sei in den letzten Jahren wieder ein verlässlic­her Dividenden­zahler geworden, so sein Argument. Dies spreche dafür, die städtische­n Aktienpake­te aufzustock­en. Derzeit hält die Stadt Dortmund fast vier Prozent an RWE. Wie es dort nun weitergeht mit der Beteiligun­g, wird politisch entschiede­n werden müssen. Gemeinsam mit der CDU hätte die SPD eine Mehrheit, um an RWE festzuhalt­en.

Die Grünen hatten sich vor den Kommunalwa­hlen, die Mitte September stattfande­n, für einen Verkauf der Aktien ausgesproc­hen. Die Haltung der Partei, die bei den Wahlen massiv gewonnen hat, zum Verkauf von RWE-Aktien dürfte für den Bestand der Beteiligun­gen ein entscheide­nder Faktor in zahlreiche­n Städten sein. In Mülheim an der Ruhr etwa gibt es eine schwarz-grüne Mehrheit, es laufen Sondierung­sgespräche. Die Grünen würden das große RWE-Paket der Stadt gerne verkaufen, die CDU allerdings nicht. Auf nd-Anfrage teilte eine Sprecherin der NRW-Grünen mit, dass der Landesverb­and kommunale Fraktionen dabei unterstütz­e, wenn sie »die Veräußerun­g kommunaler RWE-Beteiligun­g vorantreib­en wollen«. Auch der Austausch zwischen Fraktionen werde gefördert.

Wie es auch außerhalb des Parlaments möglich ist, auf die kommunale Energiever­sorgung Einfluss zu nehmen, zeigt derweil die Gruppe »Klimawende Köln«, die seit Anfang September Unterschri­ften für ein Bürgerbege­hren sammelt. Ihr Ziel: Der städtische Versorger Rheinenerg­ie soll ab 2030 nur noch Ökostrom produziere­n.

»Wir haben aus der WestLB gelernt, dass wir als Kommunalve­rband nicht beurteilen können, wie sich die Märkte in Kanada, Australien und den USA entwickeln.«

Matthias Löb

Direktor Landschaft­sverband Westfalen-Lippe

 ??  ?? Blick auf das Naturkunde­museum in Münster: Der Erlös aus dem Aktienverk­auf soll auch Museen zugutekomm­en.
Blick auf das Naturkunde­museum in Münster: Der Erlös aus dem Aktienverk­auf soll auch Museen zugutekomm­en.

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