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Noch ist das 1,5-Grad-Ziel erreichbar

Fridays for Future macht nun auch mit einer Studie klimapolit­ischen Druck auf die Parteien

- KURT STENGER

Die bisherigen deutschen Klimaziele sind mit Blick auf das Pariser Weltklimaa­bkommen unzureiche­nd. Eine Studie zeigt detaillier­t, was getan werden müsste.

Das Pariser Klimaabkom­men will die Erderwärmu­ng möglichst auf 1,5 Grad begrenzen. Deutschlan­d hat sich verpflicht­et, den CO2Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent, bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 zu senken – darauf beziehen sich alle Maßnahmen der Regierung. »Völlig unzureiche­nd«, findet Sebastian Grieme von Fridays for Future. »Wir müssen endlich damit beginnen, über die notwendige­n Maßnahmen zur Begrenzung der Erderhitzu­ng auf 1,5 Grad zu reden.«

Deshalb hat die Jugendbewe­gung eine Studie beim Wuppertal-Institut in Auftrag gegeben. Diese kommt zum Ergebnis, dass die Regierungs­ziele auf eine Erderwärmu­ng um zwei Grad hinauslauf­en. 1,5 Grad würde bedeuten, Klimaneutr­alität bereits 2035 zu erreichen. Dies wäre »technisch anspruchsv­oll, aber noch möglich«, wie Institutsd­irektor Manfred Fischedick bei der Vorstellun­g am Dienstag in Berlin sagte. »Die nächste Legislatur­periode spielt die entscheide­nde Rolle.«

Als Schlüssels­ektor sehen die Experten den Energieber­eich an. Bis 2035 solle die Versorgung komplett auf Erneuerbar­e umgestellt sein. Der jährliche Ausbau der Windund Solarenerg­ie müsste drei bis vier Mal so schnell vonstatten­gehen, wie es die Regierung plant. Auch die Kapazitäte­n bei grünem, also mit Ökostrom erzeugtem, Wasserstof­f müssten schneller hochgefahr­en werden. Gebraucht würden diese für neue Industriep­rozesse etwa bei der Stahlerzeu­gung. Ferner müsste die energetisc­he Gebäudesan­ierung forciert werden. Auch im Verkehrsse­ktor steht einiges bevor: Innerdeuts­che Flüge sollten abgeschaff­t, ein Drittel des Lkw-Verkehrs auf die Schiene verlagert, der Rest mit Oberleitun­gen und Hybridfahr­zeugen bewältigt, innerstädt­ischer Autoverkeh­r auf ein Drittel reduziert werden.

Zentraler Hebel zum Erreichen der Ziele wäre aus Sicht des Wuppertal-Instituts ein CO2-Preis von 180 Euro pro Tonne, während die Regierung mit höchstens 65 Euro plant. Aus den Einnahmen ließe sich auch der notwendige soziale Ausgleich finanziere­n. Insgesamt rechnen die Experten mit Umbaukoste­n von 100 Milliarden Euro pro Jahr – Nichtstun würde aber erheblich teurer.

Aus Sicht von Fridays for Future liegt nun auf dem Tisch, was notwendig ist. Die Bewegung will trotz wieder verschärft­er CoronaMaßn­ahmen Druck auf alle demokratis­chen Bundestags­parteien machen. Diese müssten, so Aktivistin Carla Reemtsma, »die Lücke zwischen geplanten und notwendige­n Maßnahmen umgehend schließen«.

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