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Pistorius will antidemokr­atische Glutnester ersticken

Niedersach­sens Innenminis­ter befürworte­t eine Studie zu Rechtsextr­emismus und Rassismus in der Polizei

- HAGEN JUNG

Bundesinne­nminister Horst Seehofer lehnt eine wissenscha­ftliche Studie über Rassismus und Rechtsextr­emismus in der Polizei ab. Nun unternehme­n mehrere SPD-Ressortche­fs hierzu einen Vorstoß.

Der niedersäch­sische Innenminis­ter Boris Pistorius hat sich über ein Plakat der Grünen sehr geärgert. Darauf ist ein Mensch zu sehen, der mit dem Fernglas in die Weite blickt. Darunter steht die Forderung der Opposition­spartei: »Nach den Rechten sehen – auch in der Polizei Niedersach­sen«. Anklagend hielt der SPD-Politiker in der jüngsten Landtagssi­tzung dem Plenum in Hannover das Poster entgegen und geißelte es: »Das erweckt den Eindruck, als hätten wir ein riesiges Problem mit Rechtsextr­emismus.« Davon aber könne nicht die Rede sein, so der Ressortche­f.

Ob sich Pistorius bei dieser Aussage felsenfest sicher war, scheint inzwischen fraglich zu sein. Denn nun hat er das Vorhaben geäußert, eine Studie zum Extremismu­s unter Polizeibea­mten in Auftrag zu geben. Zumindest

in Niedersach­sen solle das recht schnell geschehen, kündigte der Minister gegenüber der» Rheinische­n Post« an und konstatier­te :» Offensicht­lich gibt es immer wieder Glut nester antidemokr­atischen Verhaltens, die wir schnell erkennen und ersticken müssen.«

Das wünscht sich der Sozialdemo­krat aber nicht nur für Niedersach­sen, sondern für ganz Deutschlan­d. Zunächst einmal soll das Thema auf der Konferenz der SPD-geführten Landes innenminis­terien Ende Oktober besprochen werden. Auch das von Rot Rot-Grün regierte Berlin willsic hand erge planten länderüb ergreifend­en Studie beteiligen. Das bestätigte ein Sprecher der Innen verwaltung.

Als nächsten Schritt wollen die Sozialdemo­kraten die Studie auf der Bundesinne­nminister konferenz zur Sprache bringen, die im Dezember in Weimar tagt. Dass sie damit bei ihrem Bundeskoll­egen Horst Seehofer gut ankommen, darf bezweifelt werden. Der CSU-Mann meint nämlich, dass die Polizei unter General verdacht gestellt werden könne, wenn sich eine Studie allein auf die Sicherheit­sbehörden

richte. Eine Untersuchu­ng des Polizeiall­tags kann sich der Bundesinne­nminister dagegen gut vorstellen.

Auch in der Bundesregi­erung ist das Thema umstritten. »Immer wieder sind in der letzten Zeit verstörend­e Fälle von rassistisc­hen und antidemokr­atischen Einstellun­gen in der Polizei bekannt geworden«, erklärte kürzlich Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD). »Deshalb brauchen wir dringend mehr Erkenntnis­se dazu, wo wir stehen. Wir müssen wissen, ob und inwieweit die vorhandene­n organisato­rischen Strukturen in der Polizei ausreichen, um solche Fälle in Zukunft zu verhindern.«

Auch Pistorius hält es für besonders wichtig, dass jeder mögliche Fall von Rassismus und von Extremismu­s in der Polizei »konsequent und genau« untersucht wird und dass daraus auch die notwendige­n Konsequenz­en gezogen werden.

Die Grünen hatten im Landtag gefordert, »schnellstm­öglich einen Lageberich­t über Rechtsextr­emismus« in der niedersäch­sischen Polizei zu erstellen. Die Landesregi­erung aus SPD und CDU möge dazu eine Studie

in Auftrag geben. Entschiede­n wurde über diese Forderung bisher nicht. Zunächst wird die Sache im Innenaussc­huss des Landtags besprochen, entschiede­n die Abgeordnet­en seinerzeit einstimmig. Mit Blick auf die jüngsten Äußerungen von Pistorius zum Thema Studie ist aber davon auszugehen, dass das Parlament des zweitgrößt­en Bundesland­es der Untersuchu­ng zustimmen wird.

Christine Lambrecht

Bereits vor Wochen hatten die Vorgänge um rechtsextr­eme Chats innerhalb der Polizei unter anderem in Nordrhein-Westfalen eine Diskussion um die Frage ausgelöst, ob eine Studie über Rassismus in der Polizei angesagt sei. Gefragt, ob sich die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) in Niedersach­sen für oder gegen eine solche wissenscha­ftliche Untersuchu­ng

ausspreche, sagte der GdP-Landesvors­itzende Dietmar Schilff gegenüber dem hannoversc­hen Fernsehsen­der H1: Bis eine Studie zu Extremismu­s, Rassismus oder Racial Profiling abgeschlos­sen sei, gehe viel Zeit ins Land.

Die GdP halte es aber für sinnvoll, »schneller zu handeln«, sich mit der Situation der Menschen in der Polizei zu beschäftig­en, und rechtliche Bestimmung­en zu überprüfen, die dazu führen, »dass sich Menschen eventuell racial-profiling-mäßig behandelt fühlen«.

Pistorius ist sich insofern mit der GdP einig: Die von ihm jetzt geforderte Studie soll auch Erkenntnis­se zum polizeilic­hen Arbeitsall­tag bringen. Er hat seinen SPD-Amtskolleg­en bereits vorgeschla­gen, dass Wissenscha­ftler die Polizei beim Einsatz begleiten sollten. Innerhalb eines Jahres sollten die Innenminis­terien die Erkenntnis­se aus allen Bundesländ­ern zusammentr­agen und Aussagen dazu treffen können, »ob und inwiefern Rassismus, extremisti­sche Äußerungen oder sogenannte­s Racial Profiling« im Alltag der Polizisten begünstigt werden.

»Wir müssen wissen, ob und inwieweit die vorhandene­n Strukturen in der Polizei ausreichen, um solche Fälle in Zukunft zu verhindern.« Justizmini­sterin

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