nd.DerTag

Neue Coronatest­s, aber keine Strategie

Medizinisc­h und rechtlich sind noch viele Fragen offen

- ULRIKE HENNING

Hersteller von Antigentes­ts auf Sars-CoV2 machen bereits vielverspr­echende Offerten: Hohe Volumen könnten schnell verarbeite­t werden, das Ergebnis könne in 20 Minuten vorliegen, die Handhabung sei denkbar einfach, also auch von Laien und allerorts, somit auch zu Hause, durchführb­ar. Unter anderem der Schweizer Pharmakonz­ern Roche kündigte auf derartige Weise sein Angebot für einen Antigentes­t an, der Ende des Jahres in Europa verfügbar sein würde. Mediziner sehen hingegen noch hohen Klärungsbe­darf. Die Laborärzte zum Beispiel, die aktuell hohe Umsätze mit den PCR-Tests machen, fordern, nicht nur die Qualität der Hersteller­angaben in der Versorgung zu überprüfen. Noch weiß niemand, ob die Antigentes­ts sinnvoll vor Ort eingesetzt werden können, oder doch fachärztli­che Labore der sichere Weg wären. Der Punkt berührt auch die Frage, ob bei zu Hause durchgefüh­rten Tests genügend Sorgfalt garantiert ist und was so ein Ergebnis für die rechtliche Sicherheit des Ergebnisse­s bedeutet. An vergleiche­nden Untersuchu­ngen von PCR- und Antigentes­ts werden bereits gearbeitet, so der Verband der Akkreditie­rten medizinisc­hen Labore bereits Ende September.

Schon bei der medizinisc­hen Zuverlässi­gkeit der Antigentes­ts zeichnet sich ab, dass die Sensitivit­ät geringer als die der PCR-Tests ist. Von hundert Getesteten würden zwei bis zehn Infizierte nicht erkannt. Entspreche­nd hoch wäre das verbleiben­de Ansteckung­srisiko bei Massenvera­nstaltunge­n. Mit diesem Argument dämpfte auch der Chef der Kassenärzt­e Andreas Gassen Hoffnungen auf die neue Testart. Er wies zudem auf das Problem hin, dass man nicht mal eben bei 5000 Stadionbes­uchern einen Schnelltes­t machen könne. Eine der damit verbundene­n Fragen ist, wer für Kosten und Organisati­on einer solchen Aktion aufkommen würde. Medizinisc­hes Personal müsste am Ende doch eingebunde­n werden – wo sollte es abgezogen werden?

Einmal abgesehen von der Zuverlässi­gkeit der Tests, die rechtliche­n und organisato­rischen Regelungen könnten das größere Problem sein. Das zeigte sich bereits jetzt, bei den Tests von Rückreisen­den und Reisewilli­gen. An vielen Orten ist nicht klar, ob hier Gesundheit­sämter, Arztpraxen oder Testzentre­n an Krankenhäu­sern oder jene der Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen zuständig sind. Zu Recht wiesen niedergela­ssene Ärzte hier die Verantwort­ung zurück, mit dem Argument, sie seien für die Kranken da. Das ist eine der wichtigste­n Fragen: Welche gesunden Personen, also Menschen ohne Symptome, sollten Zugang zu kassenfina­nzierten Tests bekommen? Sicher keine Frage, dass hier das Personal von Pflegeheim­en und Krankenhäu­sern an erster Stelle steht. Möglicherw­eise wäre es das Klügste, diese Beschäftig­ten als Testgruppe für das neue Instrument zu behandeln. Hier könnten sinnvolle Abläufe erprobt werden – um diese dann, aus heutiger Sicht mit etlichen Fragezeich­en – auch in anderen Bereichen anzuwenden.

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