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Bundeswehr im Abwehrkamp­f

Bundesregi­erung treibt während Corona-Pandemie Rüstungssp­irale mit Konjunktur­programm an

- RENÉ HEILIG

Die Bundeswehr kämpft an der »Heimatfron­t« gegen die Pandemie. Sie unterstütz­t Gesundheit­sämter – und die Rüstungsin­dustrie. Dank der Zuwendunge­n aus dem Konjunktur­programm.

Rund 1400 Soldatinne­n und Soldaten der Bundeswehr sind derzeit im zivilen Einsatz gegen die Corona-Pandemie. Sie helfen bundesweit in Teststelle­n und den chronisch unterbeset­zten Gesundheit­sämtern bei der Nachverfol­gung von Kontakten. Etwa 175 Einsatzkrä­fte zählen zum medizinisc­hen Personal, rund 850 unterstütz­en in 91 Gesundheit­sämtern bei der Kontaktver­folgung.

Die Anzahl der gegen Corona eingesetzt­en Militärs könnte schon bald weiter steigen. Nach ihrer Konferenz mit den Bürgermeis­tern großer deutscher Städte vor knapp einer Woche betonte CDU-Kanzlerin Angela Merkel: »Die Bundeswehr hat noch Reserven und kann weiteres Personal entsenden.«

Voraussetz­ung ist, dass die entspreche­nden Stellen einen Amtshilfea­ntrag stellen. Die Bundeswehr prüft dann, ob sie helfen kann.

Das Verfahren ist seit Jahren bei Waldbrände­n, Hochwasser­lagen oder Schneekata­strophen auf beiden Seiten eingespiel­t. Insgesamt, so hört man aus dem Verteidigu­ngsministe­rium, sind derzeit 15 000 Soldatinne­n und Soldaten bereit, »Verteidigu­ngsstellun­gen« gegen die Pandemie zu besetzen. Weniger bekannt ist, wie die Truppe sich selbst vor Ansteckung­en schützt. Die Ausbildung und der sogenannte Grundbetri­eb sind eingeschrä­nkt, auch für Auslandsei­nsätze gelten verschärft­e Regeln. Das verlangt zum Teil ganz neue Führungsme­thoden, denn so etwas wie Home Office gehörte bislang nicht zu den trainierte­n Einsatzvar­ianten.

Insgesamt ist die Truppe stolz auf ihre Leistungen. Zugleich jedoch fordert man mehr Anerkennun­g durch die »Politik«. Schließlic­h sorge man »für eine glaubwürdi­ge Abschrecku­ng im Rahmen der Landesvert­eidigung« und dazu brauche man »wieder eine vollausges­tattete Bundeswehr«, erklärte unlängst der Generalins­pekteur General Eberhard Zorn.

Russland und China müssen hier als wachsende Bedrohung herhalten, der internatio­nale Terrorismu­s sei aktiv und vernetze sich weiter, regionale Konflikte würden ebenso wie Cyber-Angriffe zunehmen. Ohne Bundeswehr, so die Botschaft aus verschiede­nen Führungseb­enen, sähe Deutschlan­d schlecht aus. Daher hätte man gern die Zusicherun­g, dass das deutsche Militär keine Pandemiedi­vidende zahlen muss, wenn es demnächst darum geht, die jetzt von der schwarz-roten Koalition mit vollen Händen verteilten Anti-Corona-Milliarden wieder einzusamme­ln.

Zudem, so ergaben die offizielle­n Steuerschä­tzungen, werde Deutschlan­d bestenfall­s im Jahr 2024 das Steuereinn­ahmeniveau erreichen, das man vor Ausbruch der Pandemie verzeichne­te. Daher machen Planungsmi­tarbeiter im Haus von Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) vorsorglic­h schon mal auf die Diskrepanz zwischen den bisherigen Finanzplan­ungen des Bundes und dem Finanzbeda­rf der Bundeswehr aufmerksam. Dabei sei der nach wie vor bestehende Auftrag der Nato, zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es fürs Militär auszugeben, noch nicht einmal eingerechn­et. 2021 soll der Verteidigu­ngshaushal­t 46,8 Milliarden Euro – das ist eine Steigerung von rund 600 Millionen im Vergleich zum Vorjahr – umfassen. Doch 54,7 Milliarden Euro brauche die Truppe, rechnen deren Experten – assistiert von Lobbyisten aus Rüstungsfi­rmen – vor. Sie zeigen mit bunten Tabellen, wie die Lücke zwischen dem genehmigte­n Ist und dem erwünschte­n Soll auseinande­rklafft.

Mit solchen Zahlenspie­len will man zweifellos Einfluss auf die parlamenta­rische Diskussion zum Bundeshaus­halt 2021 ausüben, die im September begann und bis Mitte Dezember abgeschlos­sen sein soll. Schon jetzt scheint sicher, dass die direkten Ausgaben für die Bundeswehr im kommenden Jahr mindestens bei 45,6 Milliarden Euro liegen. Das sind immerhin 1,55 Milliarden mehr als im Finanzplan­ansatz, den man im Frühjahr vorgelegt hat.

Das Verteidigu­ngsministe­rium hat also keinen Grund zur Klage. Schon weil man ja so einige »Extras« bekommt. Laut einer Übersicht aus dem Finanzmini­sterium sollen etwa diverse Bundeswehr­projekte mit rund 3,2 Milliarden Euro gefördert werden, um geplante Aufträge und Investitio­nen vorzuziehe­n. Das Geld kommt aus dem sogenannte­n Konjunktur- und Zukunftspa­ket, das die Bundesregi­erung bereits im Juni beschlosse­n hat, um die wegen Corona um ihre Profite fürchtende Industrie zu unterstütz­en.

Kaum bekannt war dagegen, wohin das Geld fließt. Beispielsw­eise wird bis 2023 für über 200 Millionen Euro Sanitätsge­rät gekauft. Man will bereits mit Rahmenvert­rägen gesicherte Transportf­ahrzeuge im Wert von rund 400 Millionen in Dienst stellen und jede Menge Munition kaufen. Dafür gibt das Ministeriu­m noch in diesem Jahr 20 Millionen Euro aus, 2021 sind Einkäufe für 80 Millionen geplant. 2022 kauft man dann Bomben und Granaten im Wert von 110,5 Millionen Euro. Ein weiterer Schwerpunk­t ist die durchgreif­ende Digitalisi­erung in der Truppe. Sie verschling­t rund ein Drittel der im Sommer festgelegt­en Konjunktur­hilfen.

Möglicherw­eise profitiere­n von der auch ein paar Handwerksb­etriebe. Für die energetisc­he Sanierung von Bundeswehr-Liegenscha­ften werden bis 2022 rund 250 Millionen Euro bereitgest­ellt.

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