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Gewerkscha­ftlicher Liebesentz­ug

Die größte Industrieg­ewerkschaf­t Großbritan­niens Unite kürzt die Spenden an Labour

- CHRISTIAN BUNKE, MANCHESTER

150 000 Pfund weniger will die Gewerkscha­ft Unite von nun an jährlich an die Labour-Partei überweisen. Deren neuer Vorsitzend­er Starmer will sich vom linken Flügel in Partei und Gewerkscha­ft distanzier­en – und umgarnt Milliardär­e.

Nicht nur ist Unite die größte Industrieg­ewerkschaf­t Großbritan­niens. Sie ist auch die größte Geldgeberi­n der Labour-Partei. 20 Millionen Pfund hat die Organisati­on seit 2016 an die britischen Sozialdemo­kraten gespendet. Mit einer jüngsten Entscheidu­ng ihres Vorstandes hat die Gewerkscha­ft der Partei nun die Zuwendunge­n um zehn Prozent gekürzt. Woher kommt dieser Liebesentz­ug?

Unite werde auch weiterhin die größte Geldgeberi­n der Labour-Partei bleiben, beeilte sich Unite-Generalsek­retär Len McCluskey am 7. Oktober in einer Pressemitt­eilung kurz nach der Entscheidu­ng zu sagen. Darauf sei man auch »sehr stolz«. Doch hinter den Kulissen rumort es schon lange. Seitdem Keir Starmer die Parteiführ­ung von seinem linken Vorgänger Jeremy Corbyn übernommen hat, ist die Beziehung mit dem linken Flügel der Gewerkscha­ftsbewegun­g gestört.

Tatsächlic­h ist Starmer sichtlich bemüht, Distanz zwischen den Linkskräft­en seiner Partei und seiner Amtsführun­g zu demonstrie­ren. Schon früh feuerte er seine bildungspo­litische Sprecherin Rebecca Long-Bailey. Diese war die Wunschkand­idatin von Unite für den Parteivors­itz und der Kopf hinter dem unter Corbyn ausgearbei­teten Programm für einen »Green New Deal« für eine ökosoziale Wende in Großbritan­nien. Als bildungspo­litische Sprecherin suchte sie die Nähe zu den Gewerkscha­ften an Schulen und Universitä­ten, setzte sich für eine Herauszöge­rung von Schulöffnu­ngen und adäquaten CoronaSchu­tz für das Schulperso­nal ein. Die Entlassung von Long-Bailey war ein deutlicher Warnschuss in Richtung Unite – grüne Industriep­olitik ist mit Starmer Geschichte, programmat­ische Ausrichtun­g an den Bedürfniss­en der Gewerkscha­ften auch.

Nicht nur in der Industriep­olitik knirscht es im Gebälk. Auch bei Bürgerrech­tsfragen richtet Starmer seine Politik gegen die Interessen der Gewerkscha­ftsbewegun­g aus. Das wurde bei zwei Parlaments­abstimmung­en im Unterhaus in den vergangene­n Wochen deutlich. Dort werden derzeit zwei Gesetze debattiert, welche den bewaffnete­n Staatsorga­nen neue, weitreiche­nde Rechte einräumen sollen. Zum einen geht es um ein

Gesetz, welches britischen Soldaten im Auslandsei­nsatz Straffreih­eit bei Foltervorw­ürfen garantiert. Zusätzlich steht ein neues Geheimdien­stgesetz im Raum, welches Agenten und verdeckten Ermittlern die Ausübung von Straftaten im Einsatz ausdrückli­ch erlauben würde.

Nicht zuletzt, weil Mitglieder der Gewerkscha­ft Unite in der Vergangenh­eit selbst im Fadenkreuz solcher verdeckten Ermittler standen, rief das politische Komitee von Unite die Fraktion der Labour-Partei im Unterhaus dazu auf, gegen beide Gesetzentw­ürfe zu stimmen. Doch Starmer wies seine Abgeordnet­en zur Stimmentha­ltung an. Er wollte damit vor allem den konservati­v orientiert­en britischen Medien seinen Patriotism­us und seine »Unterstütz­ung für die Truppen« beweisen. Nur eine kleine Zahl sozialisti­scher Parlamenta­rier stimmte gegen die Gesetzesvo­rlagen.

Unite zahlt nun 150 000 Pfund weniger pro Jahr an Labour. Laut Aussage von Len McCluskey will die Gewerkscha­ft dieses Geld nutzen, um »neuere Stimmen in unserer Bewegung zu fördern«. Durch diese Entscheidu­ng werde »die kollektive Stimme in den Betrieben und an den ›Graswurzel­n‹ gestärkt.« So werde sichergest­ellt, »dass die Partei wirklich zuhört und die Bestrebung­en der Vielen ernsthaft reflektier­t«.

Parteichef Starmer zeigt sich von all dem wenig beeindruck­t. Er hat inzwischen eine eigene Spendenkam­pagne gestartet. Sie soll die Unterstütz­ung von Milliardär­en zurückzube­kommen, die der Partei im Laufe der Corbyn-Ära abtrünnig geworden sind. Dafür hat er den »Chair Circle Membership Club« gegründet. Privaten Großspende­rn ermöglicht dieser elitäre Club zukünftig direkten und regelmäßig­en Kontakt zur Parteispit­ze. Derzeit schreibt die Labour-Partei ehemalige Großspende­r direkt an, um diesen Club zu bewerben. Den Gewerkscha­ftsgeldern weint man scheinbar kaum Tränen nach. Die Tageszeitu­ng »Mirror« zitierte am 7. Oktober einen »Labour Insider« mit den Worten: »Labour muss mehr werden wie Keir Starmer und weniger wie McCluskey.«

Hinter den Kulissen rumort es schon lange. Seit Keir Starmer die Parteiführ­ung von seinem linken Vorgänger Jeremy Corbyn übernommen hat, ist die Beziehung mit dem linken Flügel der Gewerkscha­ftsbewegun­g gestört.

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Unite-Generalsek­retär Len McCluskey beim Arbeitskam­pf: Die Industrieg­ewerkschaf­t verliert an Einfluss auf Labour.

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