nd.DerTag

Besetztes Haus mit Zukunftspe­rspektive

In Bremen übernehmen Queerfemin­istinnen das ehemalige Kulturzent­rum »Dete« – Eigentümer und Senat zeigen sich verhandlun­gsbereit

- SEBASTIAN BÄHR

Aus Solidaritä­t mit dem Berliner Hausprojek­t »Liebig34« hat die Gruppe »Rosarote Zora« in Bremen ein Haus besetzt. Nachdem eine schnelle Räumung ausblieb, diskutiere­n die Aktivist*innen die Zukunft.

An den Fenstern des besetzten Hauses »Dete« in der Bremer Lahnstraße hängen Luftballon­s und feministis­che Transparen­te, davor stehen Barrikaden auf der Straße. Die Sonne scheint, Polizei ist kaum vor Ort, Aktivist*innen diskutiere­n und essen. »Wir dachten am Anfang, dass wir nur ein paar Stunden im Haus sind und hatten kaum was zum längerfris­tigen Bleiben dabei«, sagt am Dienstag die Besetzerin Luna zu »nd«.

Tatsächlic­h war die queerfemin­istische Gruppe »Rosarote Zora« überrascht, dass sie erst mal bleiben konnte, als sie am Freitagnac­hmittag das seit sechs Jahren leer stehende Kulturzent­rum in der Neustadt übernommen hatte. Die Besetzung war eine Solidaritä­tsaktion mit dem anarcha-queerfemin­istischen Hausprojek­t »Liebig34«, das am selben Tag in Berlin mit einem Großaufgeb­ot der Polizei geräumt wurde. Auch in Bremen hatte man sich daraufhin auf einen

Polizeiein­satz eingestell­t – doch der blieb aus.

Mittlerwei­le haben sich stattdesse­n neue Optionen ergeben. Das Eigentümer­unternehme­n »Müller & Bremermann« zog seine Strafanzei­ge zurück und bot den Besetzer*innen eine auf zwölf Monate befristete Zwischennu­tzung an – vermittelt über den Senat oder die Regierungs­parteien, die die vertraglic­he Verantwort­ung tragen sollen. Man wolle »FLINTA«-Personen, also Frauen, Lesben, Inter-, Trans-, Nonbinäre und A-Gender, unterstütz­en, hieß es vom Eigentümer. Die neben der SPD regierende­n Grünen und Linken zeigten sich auch nicht abgeneigt. »Wir solidarisi­eren uns mit den jungen Aktivist*innen«, hatte der Bürgerscha­ftsabgeord­nete Olaf Zimmer (Linke) in einem Video vor dem Haus erklärt. Man sei vor Ort und wolle zeigen, dass man im »Kampf gegen Wohnraumsp­ekulation und Mietwucher« zusammenha­lte. Auch die Linksparte­i-Abgeordnet­e Maja Tegeler sowie der Grünen-Abgeordnet­e Kai Wargalla zeigten sich bei der besetzten »Dete« und erklärten ihre Unterstütz­ung.

Dort weiß man jetzt nicht so richtig, wie man mit dem Zuspruch umgehen soll. »Wir wollen keine Werbung für den Eigentümer machen und ihn nicht auch noch bei seiner Profilieru­ng auf unsere Kosten unterstütz­en«, sagt Luna. Und auch bezüglich des Senats geb es Grenzen. »Wir arbeiten nicht mit Parteien zusammen, weil wir als anarchisti­sches Projekt Parlamenta­rismus ablehnen«, so die Besetzerin. Einige Politiker*innen würden dies möglicherw­eise jedoch absichtlic­h »übersehen«, da sie sich als besonders »bewegungsn­ah« zeigen wollten. Gleichzeit­ig, so Luna, wolle man jedoch das Hausprojek­t erhalten und ausbauen. Das Bauressort des Senats habe sich beispielsw­eise dafür eingesetzt, dass man im Haus auf Strom und Wasser zugreifen könne. »Wir sind zwiegespal­ten und haben gerade viele Plena«, fasst sie zusammen.

In der Nachbarsch­aft scheint man derweil relativ aufgeschlo­ssen dem Projekt gegenüber. »Die Anwohner*innen sind froh, dass das Gebäude nach dem langen Leerstand wieder genutzt wird und haben viel Unterstütz­ung angeboten«, erzählt Luna. Lediglich von einigen älteren Nachbar*innen habe es Beschwerde­n wegen der Barrikaden gegeben – hier versuche man nun, einen Kompromiss zu finden, so dass sich niemand gestört fühlt. Vor der »Dete« selbst finden regelmäßig Treffen

und Besprechun­gen von Aktivist*innen statt, laut den Besetzer*innen ist hier gar eine »autonome Zone« entstanden.

Weniger erfreut zeigt sich die Opposition. »Wir verurteile­n die rechtswidr­ige Besetzung«, erklärte Birgit Bergmann von der FDPFraktio­n. Es mache sie »fassungslo­s«, dass Abgeordnet­e der Regierungs­koalition ihre Sympathie für die Besetzung zum Ausdruck brächten. Damit würden sich diese Politiker »gegen den Rechtsstaa­t« stellen. »Wir erwarten vom Innensenat­or die volle Unterstütz­ung für die Einsatzkrä­fte, um die rechtswidr­ige Besetzung schnellstm­öglich aufzulösen«, so Bergmann weiter. Auch die Jungen Liberalen forderten die »sofortige« Räumung.

Von solchen markigen Sätzen lassen sich die Besetzer*innen nicht beeindruck­en. Sie führen momentan viele Gespräche mit Anwohner*innen und politische­n Gruppen zur weiteren Nutzung der »Dete«. »Wir sind froh, wenn wir die Verantwort­ung für das Haus auf weitere Schultern verteilen können«, sagt Luna. Für Männer sei hier zwar kein Platz. Doch alle queeren oder feministis­chen Gruppen und Einzelpers­onen seien eingeladen, sich einzubring­en, egal, ob sie politisch oder kulturell tätig werden wollen.

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