nd.DerTag

Erdogan kappt die Leinen

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Peter Steiniger über Ankaras neue Provokatio­nen im Streit mit der EU

Die »Oruc Reis« soll wieder auf Fahrt gehen. Das knallig in die türkischen Nationalfa­rben getauchte Forschungs­schiff will mit militärisc­hem Geleitschu­tz im östlichen Mittelmeer erneut nach Öl und Gas unter dem Meeresbode­n schnüffeln, den auch die Nachbarsta­aten Zypern und Griechenla­nd beanspruch­en. Die Beschlüsse des letzten EU-Gipfels zum Konflikt müssen den türkischen Staatschef nur mittelschw­er beeindruck­t haben. Durch die Wiederaufn­ahme seiner aggressive­n Linie auch an dieser Front teilt Erdogan mit, wie sehr ihm Punkt eins der dort beschlosse­nen Doppelstra­tegie aus leeren Drohungen und wirtschaft­lichen Anreizen egal sein kann.

Angesichts der türkischen Provokatio­n ist Außenminis­ter Heiko Maas sofort aufgebroch­en, um Nikosia und Athen einen feuchten Händedruck der Solidaritä­t zu überbringe­n. Nach Ankara sendet Berlin nur einen »scharfen« Appell, sich bitte, bitte zu mäßigen. Doch die ehrgeizige Mittelmach­t am Mittelmeer folgt eigenem Kalkül. Deutsche Waffen und EU-Kohle nimmt die Türkei gerne mit, doch von einem Beitritt zum Staatenbun­d ist das Land mittlerwei­le weiter entfernt als der Mond. Das Lockmittel zieht bei Sultan Erdogan nicht. Als Migrations-Schleusenw­ärter und Nato-Vorposten reizt die Türkei ihre Trümpfe voll aus. Und zu Hause sticht Nationalis­mus immer.

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