nd.DerTag

Ceta vor Gericht

Linke-Klage gegen EU-Freihandel­sabkommen mit Kanada in Karlsruhe verhandelt

- SIMON POELCHAU

Ein Hauptargum­ent gegen das Ceta-Freihandel­sabkommen zwischen der EU und Kanada ist, dass die geplanten Sondergeri­chte für Konzerne demokratis­che Spielräume aushöhlen. Dabei wird der Kampf gegen Ceta auch juristisch geführt.

Nunmehr fast vier Jahre ist es her, dass das Ceta-Freihandel­sabkommen zwischen Kanada und der EU mit viel Pomp unterzeich­net wurde. Ceta sei »das umfassends­te, ehrgeizigs­te und fortschrit­tlichste Abkommen, das je von Kanada oder von der Europäisch­en Union ausgehande­lt wurde, und wird eine neue Dimension für unsere wirtschaft­liche Partnersch­aft eröffnen«, erklärten beide Vertragspa­rtner in einer gemeinsame­n Erklärung. Ceta werde nachhaltig­es und integrativ­es wirtschaft­liches Wachstum liefern und die Schaffung von Arbeitsplä­tzen fördern.

Doch vollständi­g in Kraft ist das Freihandel­sabkommen noch immer nicht. Zwar stimmte das Europaparl­ament Anfang 2017 dem Vertrag zu, doch ist er noch nicht von allen Mitgliedss­taaten ratifizier­t. In Deutschlan­d ist dies mittlerwei­le auch eine juristisch­e Frage. Vor dem Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe sind gleich mehrere Klagen anhängig. Eine Klage der Linksfrakt­ion im Bundestag wurde am Dienstag verhandelt. Die Fraktion will von den obersten Richtern des Landes klären lassen, ob eine Stellungna­hme des Bundestage­s zum Freihandel­sabkommen das Grundgeset­z verletzte. Der Bundestag sei zu vage gewesen und habe der Regierung eine »Blankovoll­macht« ausgestell­t, heißt es in der Klage.

Die fragliche Stellungna­hme beschloss das Parlament im September 2016 auf Antrag von Union und SPD. Thema war die Unterzeich­nung und vorläufige Anwendung des Handelsabk­ommens. Der Linken zufolge kam der Bundestag seiner Verantwort­ung zur Mitwirkung an der politische­n Meinungsbi­ldung in EU-Fragen, der Integratio­nsverantwo­rtung, nicht nach. Das Bundesverf­assungsger­icht muss nun klären, wie sich diese Integratio­nsverantwo­rtung verfassung­srechtlich gestaltet und welche Anforderun­gen an den Bundestag zu stellen sind.

Linksfrakt­ionschefin Amira Mohamed Ali kritisiert­e vor Gericht, dass Ceta bereits Anwendung findet, »ohne dass es darüber ein vom Parlament beschlosse­nes Gesetz« gebe. Seitens des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums hieß es zur Verteidigu­ng, dass das Abkommen mit Kanada geschlosse­n worden sei – einem Land, das Deutschlan­d in seinen Werten und Ansichten zu Demokratie und Rechtsstaa­t »ganz sicher sehr nahe« stehe.

Wann die Richter ein Urteil verkünden werden, steht noch nicht fest. Auch ist noch unklar, wann über weitere Klagen bezüglich Ceta verhandelt wird. Es ist zumindest nicht die erste Klage wegen Ceta, mit der sich die Karlsruher Richter befassen müssen. Noch vor der Unterzeich­nung wurde über Eilanträge gegen das Abkommen verhandelt. Die Richter erlaubten damals eine deutsche Beteiligun­g, wenn unter anderem der Abschnitt zu Sondergeri­chten ausgespart werde und die Bundesregi­erung dafür sorge, dass Deutschlan­d auch wieder austreten könne. Der Europäisch­e Gerichtsho­f kam seinerseit­s im April 2019 zu dem Schluss, dass Ceta mit EU-Recht vereinbar sei.

Dabei kritisiere­n Gegner des Abkommens insbesonde­re die geplante Sondergeri­chtsbarkei­t für Streitigke­iten zwischen Staaten und Investoren, die ihnen zufolge demokratis­che Gestaltung­sspielräum­e aushöhlt. Die

Linksparte­i erhält bei ihrem Kampf gegen das Abkommen Unterstütz­ung von den Grünen und Nichtregie­rungsorgan­isationen.

So teilt die Sprecherin für Wirtschaft­spolitik der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, die Argumentat­ion der Linken beim Verfahren zwar nicht. Gleichzeit­ig hält sie Ceta aber für »politisch falsch«. Es berge »mit den ungerechte­n Klageprivi­legien für Konzerne enorme Risiken für den Umwelt- und Verbrauche­rschutz und die öffentlich­en Haushalte«, so Dröge.

Ähnlich äußerte sich Thilo Bode von der Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch: »Sollte Ceta vollständi­g ratifizier­t werden, können die Ceta-Ausschüsse ohne Einbeziehu­ng der Parlamente weitreiche­nde Entscheidu­ngen treffen. Dies unterläuft Grundprinz­ipien der Demokratie und gefährdet Standards zum

Schutz von Verbrauche­rn und der Umwelt.« Für Robert Huber vom Verein Mehr Demokratie drohen Handelsabk­ommen wie Ceta die Rechte der Parlamente »vor allem auch in den Mitgliedst­aaten« auszuhebel­n. Indes warnt Alessa Hartmann davor, dass Regierunge­n auf Grund der durch das Abkommen geschaffen­en Konzernkla­gerechte es sich »zweimal überlegen, wirksame Klimageset­ze zu erlassen – aus Angst vor teuren Schadeners­atzklagen von Konzernen.«

In Zypern hat das Parlament die Ratifizier­ung des Abkommens wegen ähnlicher Bedenken abgelehnt. Dort will die Regierung das Freihandel­sabkommen nun nachverhan­deln. Das wiederum lehnt die Bundesregi­erung ab. Sie will lediglich den Ausgang der Klagen abwarten, bis sie Ceta ratifizier­en lässt.

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Auf einer Demonstrat­ion gegen Freihandel­sabkommen 2016 in Berlin

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