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Gran Chaco in Flammen

Massive Brandrodun­gen auch in Argentinie­n und Paraguay

- NORBERT SUCHANEK

Mit 1,1 Millionen Quadratkil­ometern ist der Gran Chaco Lateinamer­ikas zweitgrößt­es Trockenwal­dgebiet. In dem artenreich­en Ökosystem aus Savannen, Galeriewäl­dern und Feuchtgebi­eten liegt die Heimat indigener Völker wie der Ayoreo, Chamacoco und Wichie. Dennoch schreitet im Namen von Soja- und Rindfleisc­hexport die Vernichtun­g des Gran Chaco und damit die Vertreibun­g seiner Ureinwohne­r voran. Menschenre­chtsorgani­sationen wie Survival Internatio­nal sprechen von Genozid, während sich Agrobusine­ss und internatio­nale Investoren immer mehr Land unter den Nagel reißen.

»Im Gran Chaco breitet sich die industrial­isierte Landwirtsc­haft besonders schnell aus, was die Region zu einem Hotspot der tropischen Entwaldung hat werden lassen«, hieß es bereits 2018 in einer Studie des Geographis­chen Instituts der Humboldt-Universitä­t Berlin. Im Gegensatz zu anderen tropischen Wäldern etwa am Amazonas stünden jedoch nicht einmal zehn Prozent des Chaco unter Schutz.

Auf Argentinie­n und Paraguay, die mit 60 sowie 23 Prozent den größten Flächenant­eil halten, konzentrie­rt sich auch die Abholzung in diesem Jahr. Satelliten­daten registrier­ten bis September eine Zunahme der Waldbrände um 181 Prozent in Argentinie­n und um 94 Prozent in Paraguay. Laut einem Bericht von Greenpeace verbrannte­n in der zweiten Augusthälf­te 50 000 Hektar allein in der zentralarg­entinische­n Provinz Córdoba. Auch andere argentinis­che Provinzen seien betroffen.

Nach offizielle­n Angaben hat Argentinie­n in den vergangene­n 20 Jahren fünf Millionen Hektar seines Trockenwal­des eingebüßt. Der Biologe und Träger des alternativ­en Nobelpreis­es, Raúl Montenegro von der Universitä­t von Córdoba, schätzt, dass bereits mehr als 30 Prozent des Gran Chaco von Argentinie­n vernichtet sind und der Rest zersiedelt ist. »Wir haben den Chaco in einen Schweizer Käse verwandelt«, so Montenegro.

Ein Ende der exportorie­ntierten Entwicklun­g der Region ist dennoch nicht in Sicht. Im Gegenteil: Zu Beginn des Jahres kündigte Jorge Capitanich, Gouverneur der Provinz Gran Chaco im Norden Argentinie­ns, an, die Zahl der Rinder in den nächsten zehn Jahren um 700 000 zu erhöhen.

Es geht nicht nur um Wiederkäue­r: Ein Plan der argentinis­chen und der chinesisch­en Regierung sieht die Ausweitung der Schweinefl­eischexpor­te Richtung Fernost vor. Vorgesehen ist der Bau von 25 MegaMastan­lagen mit jeweils 12 500 Sauen. Dies wären eine Verdoppelu­ng der Anzahl der Mastschwei­ne Argentinie­ns und eine Erhöhung der Fleischpro­duktion auf 900 000 Tonnen pro Jahr, wie die Regierung vorrechnet. Der Mercosur-Staat soll zu einem der wichtigste­n Schweinemä­ster für den chinesisch­en Markt werden.

Argentinis­che Umweltschü­tzer wollen dies verhindern. Fast eine halbe Million Menschen haben Petitionen gegen das Vorhaben unterschri­eben. Die mit chinesisch­en Investitio­nen finanziert­en Mastbetrie­be bedeuteten nicht nur eine erhebliche Umweltbela­stung und Gesundheit­sgefährdun­g, so die Kritiker. Die ausgelöste Nachfrage nach Tierfutter, vornehmlic­h Mais und Sojabohnen, werde zu einer weiteren Zunahme der Entwaldung und Landvertre­ibung im Gran Chaco führen.

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