Auch enterbte Angehörige dürfen Testament sehen
Rund um das Testament
Auch enterbte Angehörige haben ein Recht, das Testament zu sehen. Warum sie das möchten, habe dabei keine Rolle zu spielen.
Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Juli 2020 (Az. NotZ (Brfg) 1/19) hervor. Die zuständige Aufsichtsbehörde muss den Notar von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden, wenn der enterbte Hinterbliebene das beantragt. Eine Ablehnung sei rechtswidrig und verletze den Betroffenen in seinen Rechten.
Geklagt hatte der Sohn eines gestorbenen Mannes. Der Vater hatte knapp vier Jahre vor seinem Tod mit seiner zweiten Ehefrau ein Testament aufgesetzt. Danach sollten nur die Kinder aus zweiter Ehe erben.
Der Kläger, ein Sohn aus erster Ehe, erfuhr davon erst bei der Testamentseröffnung. Er will daraufhin beim Notar die beglaubigte Abschrift des Testaments einsehen, die dort noch in den Akten ist. Es gebe Anzeichen, dass Seiten des Originals ausgetauscht worden seien.
Die Aufsicht, in diesem Fall der Präsident des Landgerichts Münster, hatte den Antrag abgelehnt. Die Manipulationsvorwürfe entbehrten »jeder nachvollziehbaren Grundlage«. Das Kölner Oberlandesgericht hatte diese Entscheidung bestätigt.
Zu Unrecht, entschied nun der Bundesgerichtshof. Der Notar sei hier zwingend von seiner Verschwiegenheitspflicht zu befreien. Mit dem Tod des Vaters sei dessen Interesse an Geheimhaltung seines letzten Willens dem Sohn gegenüber entfallen – ob enterbt oder nicht. Dabei komme es nicht darauf an, ob der gesetzliche Erbe aus nachvollziehbaren Motiven über den Inhalt des Testaments informiert werden möchte.
Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass auch der Notar mitspielt. Bisher hatte der Notar dem Sohn die Einsicht verweigert. Die grundsätzliche
Klarstellung des BGH bezieht sich nur auf die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch die Aufsicht.