nd.DerTag

Fehlende Solidaritä­t

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Aert van Riel zu Debatten in der EU über Hilfen in der Coronakris­e

Die Coronakris­e hat nicht nur dramatisch­e Folgen für das Leben und die Gesundheit vieler Menschen auf der gesamten Welt. So ganz nebenbei schlittert auch die Europäisch­e Union erneut in eine schwere Krise. Ihr Wahlspruch lautet: »In Vielfalt geeint.« Doch in dem Staatenver­bund ist sich jeder selbst der Nächste. Noch immer wird gestritten, wann der Corona-Hilfsfonds endlich auf den Weg gebracht werden kann, der vor allem den von der Wirtschaft­skrise hart getroffene­n Staaten im Süden des Kontinents helfen würde. Länder wie Polen spielen hier ein übles Spiel, indem sie den Hilfen nur zustimmen wollen, wenn die EU ihren Rechtsstaa­tsmechanis­mus weiter abschwäche­n und die Rechtsstaa­tsverstöße der Regierunge­n in Warschau und Budapest faktisch tolerieren würde. Insbesonde­re die größeren Mitgliedst­aaten sollten nun alles in ihrer Macht stehende tun, um die polnische Regierung zur Räson zu bringen.

Außerdem müssten der Kampf gegen die Coronakris­e, ihre wirtschaft­lichen Folgen und die europäisch­e Solidaritä­t ganz oben auf der EUAgenda stehen. Offensicht­lich lag der Fokus vieler europäisch­er Staats- und Regierungs­chefs in letzter Zeit aber auch auf anderen Themen. Kürzlich wurden zum Beispiel Sanktionen wegen der Vergiftung des russischen Opposition­ellen Alexej Nawalny angekündig­t. In Europa weiß kein Politiker, wer hinter der Tat steckt. Trotzdem werden Verantwort­ungsträger aus dem Kreml und dem russischen Sicherheit­sapparat mit Einreiseve­rboten und Vermögenss­perren belegt. Es ist schon erstaunlic­h, wie viel Zeit und Energie mitten in der derzeitige­n Krise für ein solches Thema verwendet wurden. Ein Grund hierfür liegt auf der Hand: Das Vorgehen gegen den gemeinsame­n geopolitis­chen Konkurrent­en im Osten soll die sonst so zerstritte­ne EU zusammensc­hweißen.

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