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Konjunktur mit Schlingerk­urs

Wirtschaft­sforscher sehen bereits sich wieder abschwäche­nde Erholung

- KURT STENGER

Es ist ein sehr langer Weg, bis sich die deutsche Wirtschaft von der Coronakris­e erholt haben wird. Dies ist die Botschaft des Herbstguta­chtens von fünf Instituten.

Schlingerk­urs bei der Konjunktur: Erst sorgte der coronabedi­ngte Lockdown für einen Einbruch beim deutschen Bruttoinla­ndsprodukt (BIP), dann setzte eine kräftige Erholung ein. Doch diese schwächt sich mit der neuerliche­n Verschärfu­ng des Pandemiege­schehens samt neuen Eingriffen ins Wirtschaft­sgeschehen schon wieder ab. Das hat auch Einfluss auf die Prognosen der fünf großen Konjunktur­forschungs­institute, die am Mittwoch ihr Herbstguta­chten vorlegten: Sie erwarten nun für 2020 einen BIP-Rückgang um 5,4 Prozent (bislang 4,2 Prozent) und für 2021 einen Zuwachs um 4,7 Prozent (5,8 Prozent). 2022 dürfte die Wirtschaft­sleistung dann um 2,7 Prozent zulegen.

»Ein Gutteil des Einbruchs aus dem Frühjahr ist zwar schon aufgeholt, aber der verbleiben­de Aufholproz­ess stellt die mühsamere Wegstrecke zurück zur Normalität dar«, sagte Stefan Kooths, Konjunktur­chef des Instituts für Weltwirtsc­haft Kiel, bei der

Vorstellun­g der Prognose am Mittwoch in Berlin. Grund für die im Vergleich pessimisti­schere Einschätzu­ng sei, dass der weitere Erholungsp­rozess etwas schwächer eingeschät­zt werde als noch im Frühjahr.

Gebremst wird die Erholung zum einen durch jene Branchen, die in besonderem Maße auf soziale Kontakte angewiesen sind, etwa Gaststätte­n und Tourismus, das Veranstalt­ungsgewerb­e

oder der Luftverkeh­r. »Dieser Teil der deutschen Wirtschaft wird noch längere Zeit unter der Corona-Pandemie leiden und erst dann am Erholungsp­rozess teilhaben, wenn Maßnahmen zum Infektions­schutz weitgehend entfallen, womit wir erst im nächsten Sommerhalb­jahr rechnen«, so Kooths. Zum anderen bremst die Investitio­nszurückha­ltung der Unternehme­n den Aufschwung, weil sich deren Eigenkapit­alposition­en durch die Krise vielfach verschlech­tert haben, so die Ökonomen. Maßgeblich

getragen wird die Erholung von den Exporten, die im Zuge der Krise zunächst drastisch eingebroch­en waren.

Das Vorkrisenn­iveau der Wirtschaft­sleistung wird voraussich­tlich erst Ende 2021 erreicht werden. Noch ein Jahr später dürfte die deutsche Wirtschaft wieder normal ausgelaste­t sein. Auf dem Arbeitsmar­kt wird es laut den Konjunktur­forschern noch langsamer gehen: Der Abbau von geschätzt 820 000 Stellen bis zur Jahresmitt­e wird erst Mitte 2022 wettgemach­t sein. Die Arbeitslos­enquote dürfte dieses und nächstes Jahr auf 5,9 Prozent steigen und 2022 leicht auf 5,5 Prozent zurückgehe­n. Die Ökonomen versehen ihre Prognose zudem mit einem Warnhinwei­s: der ungewisse Pandemieve­rlauf.

Überrasche­nderweise erkennt die Bundesregi­erung in dem Gutachten der Institute eine Bestätigun­g der eigenen Wirtschaft­spolitik: »Der Aufschwung kommt, weil wir schnell und mit Wumms auf den drastische­n Wirtschaft­seinbruch reagiert haben«, erklärte Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD). Und CDU-Wirtschaft­sminister Peter Altmaier attestiert­e: »Der Abschwung in diesem Jahr ist weniger dramatisch als ursprüngli­ch befürchtet.«

Das Vorkrisenn­iveau der Wirtschaft­sleistung wird voraussich­tlich erst Ende 2021 erreicht werden.

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