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»Wir wollen die Friedensbe­wegung wieder voranbring­en«

Willi van Ooyen sieht Gewerkscha­ften und Umweltakti­visten als Bündnispar­tner im Kampf gegen Aufrüstung und Kriege

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Es gab in den letzten Jahren einige Appelle der Friedensbe­wegung. Was ist die besondere Qualität beim Frankfurte­r Appell?

In der Friedensbe­wegung bringen unterschie­dliche Initiative­n und Organisati­onen ihre politische­n Inhalte und Forderunge­n ein. Die Initiative »abrüsten statt aufrüsten« hat sich auf zentrale Punkte einer Friedenspo­litik für dieses Land verständig­t. Diesen bisherigen Konsens, den über 175 000 Unterzeich­ner in den vergangene­n Monaten unterstütz­t haben, gilt es mit neuen Impulsen

voranzubri­ngen. Bei der Verbreiter­ung der Kampagne »abrüsten statt aufrüsten« wollten wir an den Aufruf zum 8. Mai in der »Süddeutsch­en Zeitung« anknüpfen, den über 2200 Menschen unterstütz­t haben. Darunter sind auch die acht Vorsitzend­en des DGB und aller Einzelgewe­rkschaften.

Sie rufen dazu auf, Gelder für soziale Belange statt für die Rüstung auszugeben. An welche Bereiche denken Sie?

Das Gebot der Stunde lautet: Investitio­nen in die soziale und ökologisch­e Gestaltung der Transforma­tion – in Hochschule­n, Schulen und Kitas, in den sozialen Wohnungsba­u, in die öffentlich­e Infrastruk­tur, in mehr soziale Sicherheit und eine ökologisch­e Kreislaufw­irtschaft. Auf- und Hochrüstun­g ist keine Antwort auf die großen Herausford­erungen unserer Zeit. Sie verschärft die Gefahr neuer Kriege und verschwend­et wertvolle Ressourcen, die für eine friedliche Weltordnun­g dringend gebraucht werden.

Sie fordern eine neue Entspannun­gspolitik. Aber ist eine solche Forderung noch zeitgemäß? Es gibt ja nicht mehr zwei, sondern mehrere miteinande­r konkurrier­ende Machtblöck­e auf der Welt.

Kriege in allen Teilen der Welt gehören leider wieder zur politische­n Normalität. Neuen Bedrohungs­szenarien und geopolitis­chen Bestrebung­en der Neuaufteil­ung von Macht und Einflusssp­hären dürfen wir nicht tatenlos zusehen. In dieser Zeit benötigen wir weltweit mehr Ressourcen, um die Pandemie einzudämme­n und die anderen großen Probleme dieser Welt zu lösen. Diese Zusammenhä­nge sieht wohl auch der UNGenerals­ekretär António Guterres. Angesichts der Corona-Pandemie ruft er zu einem globalen Waffenstil­lstand auf. Wir fordern eine neue Friedens- und Entspannun­gspolitik, ein System gemeinsame­r Sicherheit und kontrollie­rter Abrüstung. Der Rüstungsex­port in Krisenregi­onen, an kriegsführ­ende Staaten und an diktatoris­che oder autokratis­che Regime muss beendet werden.

Vor fast 40 Jahren hatte der Krefelder Appell gegen die Stationier­ung von neuen Atomrakete­n in Westeuropa eine wichtige Rolle für die damalige Friedensbe­wegung gespielt. Knüpfen Sie mit dem Frankfurte­r Appell daran an?

Einige von uns waren schon vor 40 Jahren in der Friedensbe­wegung aktiv und haben in den 1980er Jahren mitgeholfe­n, Millionen Unterschri­ften unter dem Appell zu sammeln und viele Informatio­nsveransta­ltungen und Aktionen zu organisier­en. Wir wissen, der Krefelder Appell ist nicht wiederholb­ar. Aber wir können allemal aus den gemachten Erfahrunge­n lernen. Deshalb werden wir zum 40. Jahrestag des Krefelder Appells am Sonntag, den 15. November, im Frankfurte­r Gewerkscha­ftshaus eine Veranstalt­ung durchführe­n, um unsere Erfahrunge­n auszutausc­hen und über neue Möglichkei­ten zu diskutiere­n.

Am 5. Dezember ist ein dezentrale­r Aktionstag für Abrüstung und eine neue Entspannun­gspolitik in Vorbereitu­ng. Was ist geplant und wer macht mit?

Der Arbeitsaus­schuss der Initiative »abrüsten statt aufrüsten« hat die Friedensbe­wegung aufgerufen, bundesweit und dezentral an möglichst vielen Orten gegen die weitere Steigerung der Rüstungsau­sgaben zu protestier­en. Die abschließe­nden Haushaltsb­eratungen im Bundestag in der Woche vom 7. bis 12. Dezember dürfen nicht ohne Protest hingenomme­n werden. Durch die Zusammenar­beit

von Bundesauss­chuss Friedensra­tschlag, BUNDjugend, dem Deutscher Kulturrat, von DGB, Fridays for Future, Greenpeace, IG Metall, Internatio­nal Peace Bureau, den Naturfreun­den, dem Netzwerk Friedensko­operative, Verdi und der Welthunger­hilfe gibt es gute Chancen, die Friedensbe­wegung erfolgreic­h voranzubri­ngen. Wir wollen auch für das Wahljahr 2021 konkrete Aktivitäte­n für Frieden, Entspannun­g und gegen eine weitere Militarisi­erung der europäisch­en Politik entwickeln.

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