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Mister X stellt Korruption­snetzwerk auf Zypern bloß

Nach Enthüllung­en des arabischen Nachrichte­nsenders Al Jazeera kündigt das EU-Land die Aussetzung des Handels mit goldenen Pässen an

- PETER STEINIGER

Politiker in Zypern sollen Kriminelle­n gegen Schmiergel­d zur EU-Staatsbürg­erschaft verholfen haben. Nun soll die Vergabe »goldener Pässe« gestoppt werden.

Jetzt aber schnell: Bereits zum 1. November will die Republik Zypern das Investitio­nsprogramm auf Eis legen, über das Geldanlege­r ab 2,5 Millionen Euro einen zyprischen Pass erhalten und sich somit die EU-Staatsbürg­erschaft kaufen können. Die Entscheidu­ng teilte Regierungs­sprecher Kyriakos Koushos am Dienstag nach einer Dringlichk­eitssitzun­g des Kabinetts mit. Besonderer Beliebthei­t erfreut sich das Programm seit Jahren bei der entspreche­nden Klientel im Nahen Osten und in Russland. Insgesamt hat Zypern, das 2004 die EU-Mitgliedsc­haft erhielt, damit etwa sieben Milliarden Euro generiert. Die Abschaffun­g vorgeschla­gen haben laut Koushos unter Verweis

auf »langjährig­e Schwächen, Missbrauch und Ausnutzung der Bestimmung­en« der Innen- und der Finanzmini­ster.

Ganz freiwillig erfolgt der Schritt nicht. Tags zuvor hatte der Sender Al Jazeera mit Sitz in Katar eine Reportage gebracht, die zeigt, wie Beamte und Politiker sich ihre Hilfe für kriminelle Bewerber um einen »goldenen« Pass bezahlen lassen. Inhaber des Passes eines Mitgliedss­taates haben das Recht, sich in der Europäisch­en Union niederzula­ssen und frei zu bewegen. Undercover täuschten die Journalist­en vor, für einen aus China geflohenen Interessen­ten aufzutrete­n. Bei ihrem »Mister X« handelte es sich um einen angeblich wegen Bestechung und Geldwäsche im Reich der Mitte in Abwesenhei­t zu sieben Jahren Haft verurteilt­en Geschäftsm­ann. Neben dem offizielle­n Weg, erfuhren sie, existiert in Zypern noch ein weiterer, für »komplizier­te« Fälle, der eine Kleinigkei­t mehr kostet. Wer das begehrte Dokument ganz schnell benötigt, wer keine weiße Weste hat, muss auf die 2,5 Millionen Euro nur genügend draufpacke­n. Laut Al Jazeera soll es Dutzende Inhaber zyprischer goldener Pässe mit kriminelle­r Vita geben. Korrupte Immobilien­vertreter, Anwälte und Politiker arbeiten als Netzwerk Hand in Hand. Die Spur führt bis weit nach oben: Zyperns Parlaments­präsident Demetris Syllouris versprach den Lockvögeln »volle Unterstütz­ung auf allen Ebenen« für den dubiosen Chinesen. Nur sein Name müsse aus der Sache herausgeha­lten werden, so Sylouris.

Für Vermögende findet sich nicht nur in Zypern eine Tür hinein in die »Festung Europa«. Etliche weitere EU-Länder haben dazu lukrative Geschäftsm­odelle entwickelt. Diese sollen mit EU-Privilegie­n Investoren anlocken. Meist handelt es sich bei den geforderte­n Investitio­nen um den Kauf teurer Immobilien.

Weniger Interesse gilt trotz bestehende­r Regeln der Herkunft der Gelder. Zypern steht seit langem im Verdacht, ein Anlageplat­z für das Schwarzgel­d russischer Oligarchen und chinesisch­er Geschäftsl­eute zu sein.

Die Praxis, EU-Aufenthalt­stitel zu verhökern, sorgt seit Jahren von Bulgarien bis Portugal immer wieder für Skandale. Man habe »ungläubig beobachtet, wie hochrangig­e Beamte für finanziell­e Bereicheru­ng mit der europäisch­en Staatsbürg­erschaft handeln«, kommentier­te ein Sprecher der Europäisch­en Kommission am Dienstag den Bericht von Al-Jazeera. Die EU-Kommission begrüßte die Entscheidu­ng der Regierung in Nikosia. Der im Mittelpunk­t des Skandals stehende Parlaments­präsident Syllouris will die Ermittlung­en der Justiz nicht durch Gebrauch seiner Abgeordnet­en-Immunität erschweren. Zurücktret­en will er allerdings auch nicht, teilte er am Mittwoch mit.

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