nd.DerTag

Vertagter Strukturwa­ndel

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Kurt Stenger über Konjunktur­prognosen und die Reaktion der Politik

Gut zwei Jahre wird es noch dauern, bis in der deutschen Wirtschaft wieder Normalität eingekehrt ist. Das prognostiz­ieren die Konjunktur­forschungs­institute – und auch nur unter der Prämisse, dass Corona ab kommendem Sommer dank Massenimpf­ung kein Thema mehr ist. Die anfänglich­e Hoffnung, dass nach einer heftigen, aber kurzen Rezession schnell wieder alles wie zuvor ist, bewahrheit­et sich nicht. Dies muss berücksich­tigt werden, wenn wieder vom Lockdown die Rede ist und mit dem unsägliche­n Beherbergu­ngsverbot ganze Branchen lahmgelegt werden, die über keine Lobbykonta­kte in die Spitzen der Politik verfügen. Die Regierung setzt darauf, dass die ab Herbst drohende Pleitewell­e nicht Riesen à la Karstadt und Lufthansa treffen wird, sondern Kleinstfir­men – und daher unsichtbar bleibt.

Die Wirtschaft­shilfen und Konjunktur­maßnahmen waren natürlich richtig. Doch zahlreiche Branchen wie die mächtige Auto- und Stahlindus­trie oder die Luftfahrt brauchen nicht Liquidität­sspritzen zum Erhalt des Status Quo, sondern massive strukturel­len Veränderun­gen. Genau das blendet die Wirtschaft­spolitik bis heute aus. Die tieferlieg­enden Probleme werden mit staatliche­r Hilfen nur in die Zukunft nach Corona verschoben. Der Politik scheint dies egal – die Bundestags­wahlen sind dann ja vorbei.

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