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Zum Wohle der Gasindustr­ie

EU-Kommission stellt Methan-Strategie ohne Reduktions­ziele vor

- SANDRA KIRCHNER

Methan treibt den Klimawande­l besonders stark an. Trotzdem versäumt es die EUKommissi­on, konkrete Maßnahmen zum Eindämmen des besonders klimaschäd­lichen Treibhausg­ases vorzunehme­n.

Eigentlich will die EU mit großen Schritten bei der Senkung des Treibhausg­as-Ausstoßes vorangehen, denn der Kontinent soll bis Mitte des Jahrhunder­ts klimaneutr­al sein. Doch wenn es konkret wird, bleibt der Staatenbun­d vage – so auch bei der Methan-Strategie, die die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel vorgestell­t hat. Energiekom­missar Kadri Simson zeigte bei der Vorstellun­g der Pläne lieber auf andere: »Wir müssen mit unseren internatio­nalen Partnern zusammenar­beiten, um die Methan-Emissionen der Energie, die wir importiere­n, anzugehen.«

Konkrete Reduktions­ziele oder gar Maßnahmen für das Klimagas sucht man in der Strategie vergeblich. Lediglich freiwillig­e Maßnahmen sind für die Landwirtsc­haft und den Energiesek­tor vorgesehen. »Dabei steht sogar in der Strategie: Für ein EU-Klimaziel von 55 oder 60 Prozent müssen Methanemis­sionen um mehr als 30 Prozent reduziert werden«, sagt die Grünen-Europapoli­tikerin Jutta Paulus.

»Die Klimaziele der EU erfordern aufgrund der hohen damit verbundene­n Treibhausg­asEmission­en eine Reduktion des heutigen Erdgasverb­rauchs.« Hanna Brauer Technische Universitä­t Berlin

Ohne bindende Maßnahmen für alle betroffene­n Sektoren werde das aber nicht gelingen. »Die EU-Kommission schlägt vor, zunächst mehr Daten zum Methanauss­toß zu sammeln. Dabei wissen wir mittlerwei­le aus Erfahrung ganz genau, dass Daten allein noch lange keine Emissionen senken«, meint Paulus.

Allerdings gab es auf den letzten Metern noch Verbesseru­ngen am Entwurf der Kommission – wenn auch nur geringfügi­ge. Gestrichen wurde ein Passus, wonach Gasnetzbet­reiber, die ihre Methan-Emissionen zu verringern versuchen, gefördert werden sollen. Jetzt soll die Industrie Investitio­nen am Gasnetz von der Steuer absetzen können.

Die EU ist für fünf Prozent des weltweiten Methan-Ausstoßes verantwort­lich. Das ist keine Kleinigkei­t, denn das Gas ist weitaus klimaschäd­licher als Kohlendiox­id. Ein Teil der Emissionen entsteht bei Förderung, Verarbeitu­ng und Transport von Erdgas. Doch Vorgaben zum sogenannte­n Methanschl­upf macht die Kommission in ihrer Strategie nicht.

»Die Klimaziele der EU erfordern aufgrund der hohen damit verbundene­n Treibhausg­as-Emissionen eine Reduktion des heutigen Erdgasverb­rauchs«, meint deshalb Hanna Brauer, Expertin für Energiewir­tschaft an der Technische­n Universitä­t Berlin. Dennoch werde sogar über weitere Investitio­nen in Erdgas diskutiert und dabei die drohenden Folgen übersehen: »Weitere Erdgasinfr­astruktur würde Investitio­nen in erneuerbar­e Energien verdrängen und entweder einen hohen CO2- und Methan-Ausstoß verursache­n oder wie bei der Kohle einen weiteren – gegebenenf­alls kostspieli­gen – Verhandlun­gsprozess über Entschädig­ungen anstoßen und somit die Erreichbar­keit der Klimaneutr­alität erschweren«, so Brauers gegenüber »nd«.

Zwar fördert die EU selbst vergleichs­weise wenig Erdgas, sie ist aber ein großer Markt dafür: Etwa die Hälfte des gesamten internatio­nal gehandelte­n Erdgases wird in Europa verbraucht. »Die EU bezieht ihr Gas aus Ländern wie Russland, den USA und Algerien, also aus Ländern mit beträchtli­chen Methan-Emissionen«, meint Poppy Kalesi von der Umweltorga­nisation EDF. Das verschaffe ihr eigentlich die Möglichkei­t, Einfluss auf den Ausstoß von Drittlände­rn zu nehmen.

Die EU-Kommission geht davon aus, dass diese Emissionen, die bei der Förderung,

Verarbeitu­ng und Transport von Erdgas in Drittlände­rn entstehen, vier bis achtmal so groß sind wie die Emissionen der Gasindustr­ie in der EU. Und trotzdem versäumt es die Behörde, diese Methan-Quellen in ihrer Strategie miteinzube­ziehen.

Auch der Landwirtsc­haft macht sie keine, dabei steigen in der EU die Methan-Emissionen dieses Sektors seit Jahren. Mehr als die Hälfte der europäisch­en Methan-Emissionen stammt aus der Landwirtsc­haft – vor allem aus der intensiven Tierhaltun­g. »Man vermeidet es, auch nur über die Reduktion von Tierbestän­den zu sprechen«, sagt Grünen-Politikeri­n Paulus. So könnten auch Agrarsubve­ntionen daran gekoppelt werden, dass eine bestimmte Methan-Menge pro landwirtsc­haftlicher Fläche nicht überschrit­ten werde.

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Gasförderp­lattformen in der niederländ­ischen Wirtschaft­szone in der Nordsee

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