nd.DerTag

Zwischen Risiko und sozialem Gewissen

Start der Schwimm-Profiserie ISL am Corona-Hotspot Budapest

- JÖRG SOLDWISCH, BUDAPEST SID/nd

Die Schwimmer tauchen mitten in der zweiten Coronawell­e wieder auf – doch nicht nur der Zeitpunkt für die Rückkehr ins Wettkampfb­ecken sät Zweifel. Ausgerechn­et im Corona-Hotspot Budapest hält die finanziell lukrative Profiserie ISL ab Freitag ein fünfwöchig­es Event ab und lässt dafür Stars aus der ganzen Welt einfliegen. Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) verbietet seinen Athleten die Teilnahme zwar nicht, spricht aber eine klare Warnung aus. »Die ISL stellt ein nicht kalkulierb­ares Risiko dar und sollte aus medizinisc­her Sicht nicht durchgefüh­rt werden«, heißt es in einer DSV-Stellungna­hme. Der Verband warnt, die Gefahr der Ansteckung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen: »Schädigung­en bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 können bereits die Sportfähig­keit stark einschränk­en und ein vorzeitige­s Ende der Karriere bedeuten.«

Das üppige Startgeld und die Aussicht auf hochklassi­ge Wettkämpfe mit internatio­nalen Stars ist für manche aber doch zu verlockend. Acht Deutsche um Ex-Weltmeiste­r Marco Koch (New York Breakers) und den Olympiasec­hsten Philip Heintz (Aqua Centurions) treten für ihre Teams in der Vorrunde der zweiten ISL-Auflage an. Sie können damit aufgrund des Hygienekon­zepts nicht an der Kurzbahn-DM Ende Oktober in Berlin teilnehmen. Dies und andere Unannehmli­chkeiten nehmen Koch und Co. aber in Kauf. »Mein letztes Rennen war im Februar, ich freue mich auf die Wettkämpfe hier«, sagte Koch. Angst vor einer Ansteckung hat der Brustschwi­mmer keine: »Die Sicherheit­svorkehrun­gen sind enorm. Die Wahrschein­lichkeit, dass ich mich zu Hause beim Einkaufen anstecke, ist glaube ich höher.«

Ausländisc­he Schwimmer dürfen nur bei einem Nachweis von zwei negativen Coronatest­s in Budapest anreisen. Nach Ankunft werden zwei weitere Abstriche mit einem Abstand von 48 Stunden vorgenomme­n, danach beträgt der Testabstan­d fünf Tage. Die Veranstalt­er verweisen zudem auf die »Blase« mit den geblockten Teamhotels, die strikte Einhaltung gängiger Hygienemaß­nahmen und zehn Wettkämpfe an 31 Tagen ohne Zuschauer. Die Skepsis bleibt dennoch groß, nicht nur in Deutschlan­d. Der australisc­he Schwimmver­band hatte seinen Athleten ebenfalls von einem Start abgeraten.

Die ISL nannte es »nicht akzeptabel«, dass einige Verbände »wissentlic­h und zynisch die Pandemie ausnutzen, um Athleten einzuschüc­htern, die in anderen Wettbewerb­en mitmachen wollen«. Die Athleten müssten nicht nur körperlich beschützt werden, argumentie­rte die ISL, sondern auch aus ökonomisch­er und sozialer Perspektiv­e. Die vom ukrainisch­en Milliardär Konstantin Gregorisch­in gegründete Profiserie, die die Monopolste­llung des Weltverban­des Fina angreifen will, hatte im Premierenj­ahr 2019 ein Preisgeld in Höhe von rund fünf Millionen US-Dollar an die Athleten ausgeschüt­tet.

Unterstütz­t wird die Serie von Topstars wie Olympiasie­ger Adam Peaty, der für das Team London Roar mit den Deutschen Christian Diener und Marius Kusch startet. Er spüre gerade in diesen Coronazeit­en eine große Verantwort­ung für Schwimmer, die nicht wie er von Werbeeinna­hmen leben könnten, sagte der Brite: »Ich werde mich immer daran erinnern, wie es ist, wenn man sich als Athlet das Benzin nicht mehr leisten kann.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany