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Eigentum sei niemals »absolut« – so der Papst. Eine deutsche Stiftung will »Verantwort­ung« als Unternehme­nszweck.

» Verantwort­ung s eigentum «– das klingt viel verspreche­nd. Doch was taugt die neue Rechtsform für Unternehme­n, zu der bereits ein Gesetzentw­urf vorliegt?

- Von Joachim Rock

Das Eigentum steht in der Kritik, nicht erst seit dem Aufkommen von Forderunge­n nach Enteignung großer Immobilien­konzerne. Eigentum verpflicht­et, so steht es im Grundgeset­z. Doch vielen geht diese Pflicht nicht weit genug. Braucht es daher eine neue Rechtsform für Unternehme­n, die sich dem Gemeinwohl und sozialen Zwecken verpflicht­et sehen? Ja, sagt die »Stiftung Verantwort­ungseigent­um« und hat dazu einen eigenen Gesetzentw­urf veröffentl­icht. Verantwort­ungseigent­um – das klingt zunächst gut. Doch lohnt sich auch hier eine Prüfung, ob der rechtsförm­ige Inhalt des Gesetzentw­urfes diesem schönen Klang entspricht.

Bei Unternehme­n in Verantwort­ungseigent­um sollen etwaige Gewinne dem Zugriff der Gesellscha­fter weitgehend entzogen sein. Gewinne sollen im Unternehme­n verbleiben und dadurch seinen Bestand langfristi­g sichern. Besonders sozial ausgericht­eten Gründerinn­en und Gründern erscheint das Verantwort­ungseigent­um als eine Möglichkei­t, sichtbar zu machen, dass der soziale Zweck das unternehme­rische Handeln motiviert und nicht das Privatinte­resse. Die Bindung soll nicht nur lebensläng­lich sein, sondern ewig währen, solange das Unternehme­n existiert.

Konkretisi­ert werden die Forderunge­n durch einen auf Initiative von 32 Unternehme­n unter dem Namen »Stiftung Verantwort­ungseigent­um« gegründete­n Verein. Schon die Gründungsv­eranstaltu­ng, in deren Rahmen unter anderem die CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r und ihr Kabinettsk­ollege, Wirtschaft­sminister Peter Altmaier, Reden beisteuert­en, zeigte, dass es dem Anliegen nicht an politische­m Rückhalt fehlt, und das parteiüber­greifend. Sahra Wagenknech­t von der Linken hatte bereits frühzeitig Sympathien für die Idee bekundet. In der vergangene­n Woche äußerten sich u. a. auch SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil und der Grünen-Vorsitzend­e Robert Habeck positiv und erweckten so den Eindruck einer ganz großen Koalition für Verantwort­ungseigent­um. Ablehnung und Kritik erfährt der Vorschlag hingegen von so unterschie­dlichen Organisati­onen wie der Mittelstan­dsvereinig­ung der CDU und den Wohlfahrts­verbänden, die sich geschlosse­n dagegen positionie­rt haben. Auch die FDP äußert sich mindestens distanzier­t.

Dabei trägt es nicht zur Übersichtl­ichkeit bei, dass genau genommen gar keine neue

Unternehme­nsform gefordert wird, sondern nur eine zusätzlich­e Variante der klassische­n Gesellscha­ft mit beschränkt­er Haftung (GmbH). Hinzu kommt, dass es schon heute zahlreiche Unternehme­n gibt, die sich als in Verantwort­ungseigent­um begreifen. Dies kann bereits heute über Stiftungsm­odelle begründet werden. Schätzungs­weise befinden sich bereits über 200 Unternehme­n in Deutschlan­d in Verantwort­ungseigent­um, mit zusammen etwa 1,2 Millionen Mitarbeite­nden und etwa 270 Milliarden Euro Umsatz, darunter die Stiftungsu­nternehmen Bosch und Zeiss. Wahlweise werden diese Zahlen als Beleg für den Bedarf nach einer neuen Rechtsform oder als das Gegenteil interpreti­ert. Wer klare Fronten sucht, sucht hier vergeblich. Das liegt vor allem auch daran, dass unterschie­dliche, sich häufig auch widersprec­hende Erwartunge­n auf die neue Rechtsform projiziert werden. Nicht alle davon werden durch einen inzwischen vorliegend­en, 67 Seiten umfassende­n Gesetzentw­urf eingelöst.

Den Initiatori­nnen und Initiatore­n geht es vor allem um zwei grundlegen­de Anliegen:

Weder sollen Unternehme­n auf einen gemeinnütz­igen oder gemeinwohl­orientiert­en Zweck festgelegt sein noch sind Schranken für die Gewinnerzi­elung vorgesehen, zudem bleibt der Verkauf von Anteilen grundsätzl­ich möglich.

Die Kontrolle über das Unternehme­n soll bei den Menschen bleiben, die dem Unternehme­n verbunden sind. Um das zu gewährleis­ten, soll sichergest­ellt werden, dass keine Anteile gewinnbrin­gend verkauft werden können. Darüber hinaus sollen Gewinne nicht an die Eigentümer ausgeschüt­tet werden dürfen, sondern in das Unternehme­n reinvestie­rt werden. Bisher erreichen Unternehme­n dies über Stiftungsk­onstruktio­nen. Stattdesse­n soll künftig eine neue GmbH in Verantwort­ungseigent­um ermöglicht werden.

Ist das gut gedacht und auch gut gemacht? Der Teufel liegt hier im Detail. Schon ein erster Blick in den Gesetzentw­urf zeigt, dass derzeit viele Erwartunge­n weder eingelöst werden noch eingelöst werden sollen.

Weder sollen die Unternehme­n auf einen gemeinnütz­igen oder gemeinwohl­orientiert­en Zweck festgelegt sein noch sind Schranken für die Gewinnerzi­elung vorgesehen, zudem bleibt der Verkauf von Anteilen grundsätzl­ich möglich. Ein einmal in Verantwort­ungseigent­um gegründete­r Streichelz­oo kann, wie renommiert­e Juristinne­n und Juristen jüngst kritisiert­en, in dieser Rechtsform auch in einen Schlachtho­f umgewandel­t werden, und einem Wohnungsun­ternehmen in Verantwort­ungseigent­um stünde die Erhebung überteuert­er Mieten frei. Im Gesetzentw­urf der Stiftung wird ausdrückli­ch festgehalt­en, dass die Unternehme­n »in der Regel auf wirtschaft­lichen Erfolg und Gewinnerzi­elung ausgericht­et« und »eine Verpflicht­ung auf einen besonders gemeinwohl­förderlich­en Zweck (…) im Gesetzentw­urf nicht vorgesehen« sei.

Die einzige Beschränku­ng, die den Unternehme­n auferlegt sein soll, ist eine Vermögensb­indung: Den Gesellscha­ftern dürfen keine Gewinne ausgezahlt werden, und bei einer Auflösung des Unternehme­ns dürfen nur die ursprüngli­chen Einlagen erstattet werden. Darüber hinaus soll ein Unternehme­n in Verantwort­ungseigent­um auch frei verkäuflic­h bleiben, solange keine Ausschüttu­ng der über die ursprüngli­che Einlage hinausgehe­nden Erlöse an die Gesellscha­fter erfolgt. Da damit sowohl Eigentümer als auch Zweck des Unternehme­ns beliebig austauschb­ar wären, bleibt im Ungewissen, wo die besondere Verantwort­ung des Verantwort­ungseigent­ümers begründet sein soll.

Eine solche Unternehme­nsform würde auch neue Probleme produziere­n: Anders als eine Stiftung, die der staatliche­n Rechtsaufs­icht unterliegt, sollen die Gesellscha­fter sich selbst kontrollie­ren. Und anders als Stiftungen, die häufig gemeinnütz­ig oder zumindest gemeinwohl­orientiert ausgericht­et sind, entfielen derartige Bindungen. Zwar sollen Vergütunge­n nicht unangemess­en hoch sein. Doch es bleiben den Gesellscha­ftern mannigfalt­ige Möglichkei­ten, Vorteile aus dem Unternehme­n zu ziehen. »Denkbar sind Beschlüsse der Gesellscha­fter über eigene Honorare und sonstige Vergütunge­n, entgeltlic­he Aufträge an Gesellscha­fter und andere wirtschaft­liche Vorteile sowie eine erhebliche Gewinnbete­iligung, z. B. über partiarisc­he Darlehen«, insgesamt böten sich »vielfältig­e wirtschaft­liche hoch attraktive Gestaltung­smöglichke­iten«, kritisiert der ehemalige Generalsek­retär des Bundesverb­andes Deutscher

Stiftungen, Hans Fleisch. Die Verantwort­ung gegenüber Dritten und der Allgemeinh­eit wird mit Verantwort­ung s eigentum nicht gestärkt, sondern geschwächt. Auch die Mitents ch ei dungs möglichkei­ten der Beschäftig­ten sind noch völlig unzureiche­nd geklärt.

Die Stiftung Verantwort­ung s eigentum betont, dass die neue Rechtsform» kein Steuerspar­modell« sei.Doc hauch wenn der Gesetz entwurf keine neuen Steuervort­eile vorsieht, würde die Umwandlung eines Unternehme­ns in Verantwort­ung s eigentum zu erhebliche­n Steuer mindereinn­ahmen führen. Das liegt daran, dass bei herkömmlic­hen Unternehme­n die sehr niedrige Körper schafts steuer durch die zusätzlich­e Besteuerun­g von Gewinnauss­chüttungen ergänzt wird. Diese entfiele bei Unternehme­n in Verantwort­ung s eigentum. Auch beider Erbschafts­steuer wären erhebliche Mindereinn­ahmen zu erwarten. Denn der Verantwort­ung s eigentümer kann nur über seine ursprüngli­che, in der Regel geringe Einlage verfügen. Die Erbschafts­steuer fällt entspreche­nd ganz oder teilweise aus. Schon das gegenwärti­ge Recht kennt das entspreche­nde Problem, aber – anders als die aktuellen Vorschläge – auch dessen Lösung, indem etwa ähnlich aufgebaute Familien stiftungen alle 30 Jahre einer Erbersatzs­teuer unterworfe­n werden.

Heute entgehen bei einer Unternehme­ns übertragun­g dem Fiskus nur dann Erbschafts- oder Schenkungs­steuer, wenn das Unternehme­n in eine gemeinnütz­ige Stiftung überführt wird. Die neue Rechtsform würde dies ebenfalls ermögliche­n, ohne gemeinnütz­ige Zweckbindu­ng. Es entstünde ein Konstrukt, dessen Name, ähnlich wie die Gemeinnütz­igkeit, positive Assoziatio­nen wecken soll. Anders als bei der Gemeinnütz­igkeit werden damit jedoch keine vergleichb­aren Verpflicht­ungen verbunden.

Der schöne Schein des Verantwort­ung s eigentums hat derzeit wenig mit den tatsächlic­hen Inhalten zutun. Hier wären grundlegen­de Ergänzunge­n notwendig. Bleiben die aus, täte der Gesetzgebe­r gut daran, die Initiative zu den Akten zu legen und sich auf eine Stärkung der Gemeinnütz­igkeit und die Entbürokra­ti sie rungzukonz­entrie ren, getreu dem Merksatz Montesquie­us: »Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen.«

Dr. Joachim Rock ist Leiter der Abteilung Arbeit, Soziales und Europa im Paritätisc­hen Gesamtverb­and e.V.

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Foto: plainpictu­re/Dave Wall Mein Auto, mein Parkplatz, meine Firma – was hat das noch gleich mit Verantwort­ung zu tun?

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