Die riesige rechte Blase
Hallo Moritz, reden wir über die politische Rechte in den USA. Viele Menschen verstehen ja gar nicht, warum 40 Prozent der Amerikaner weiter zu Trump halten. Sie wissen nicht, dass in den Debatten der Konservativen all die Skandale keine Rolle spielen. Worüber reden sie stattdessen? Es gibt grob gesagt vier Themen: Da wäre die Kriminalität, quasi als Antwort auf Black Lives Matter. Rechte Medien malen ein Bild, in dem die USA bedroht sind von einer Spirale des Verbrechens in gesetzlosen Städten. Die zweite Sache ist Corona: Erst hat man die Pandemie verharmlost, nach Trumps Erkrankung wird seine »heldenhafte« Genesung in faschistoider Ästhetik inszeniert. Das dritte Thema ist die Wirtschaft. Der Aktienmarkt hat dank der Hilfspakete fast alle Verluste der Corona-Rezession wieder aufgeholt. Die Millionen Arbeitslosen und die soziale Not im Land werden ausgeblendet. Und dann wird auf die Demokraten eingeschlagen: auf sozialistische und radikale Kräfte, die sich angeblich mit den Medien gegen das aufrechte, konservative Amerika verschworen haben.
Geheimdienstdirektor John Radcliffe kümmert sich auch nicht um den realen rechten Inlandsterrorismus. Er veröffentlicht lieber russische Propaganda über Hillary Clintons E-Mails und angebliche Coups gegen Trump. Hier geht es um »Obama-Gate« – eine Geschichte, die Donald Trump letztes Jahr als Gegennarrativ zu den Impeachment-Untersuchungen aufgebaut hat. Demnach hätten die Obama-Regierung und Clinton versucht, die Machtübergabe an Trump mit der angeblich falschen Behauptung zu sabotieren, dass es eine russische Einflussnahme auf Trump gebe. Alles fußt nur auf abgehörten Gesprächen russischer Geheimdienstler vor der Wahl 2016. Hier gibt es keinen Skandal, doch es wird dazu aufgeblasen.
Nicht nur vom TV-Sender Fox News. Es gibt noch viel mehr im rechten Universum. Richtig. Da wurde über Jahrzehnte eine Parallelrealität konstruiert. Von den zehn meistgelesenen FacebookPosts in den USA sind fast immer sieben oder acht von rechten Youtubern, Influencern, von Fox News oder Donald Trump selbst. Das ist eine riesengroße rechte Blase.
Die Opposition bangt um die Demokratie als solche. Senator Mike Lee sagt dagegen, die USA seien gar keine Demokratie. Ja, für den Hardcore-Rechten aus Utah sind die USA eine konstitutionelle Republik. Ziel sei nicht die Volksherrschaft, sondern Freiheit und Wohlstand. Das basiert auf einer alten Vorstellung, nach der nur Leute wählen, denen das zusteht: früher wohlhabende Männer, aber keine Frauen, Arme oder Minderheiten. Heute wird zum Beispiel ehemaligen Kriminellen das Wahlrecht verwehrt. Politikwissenschaftler nennen das institutionelle Minderheitenherrschaft. Das Wahlsystem ist so angelegt, dass die Demokraten für eine Mehrheit sogar sechs Prozent vorn liegen müssen, weil ihre Wähler weniger stark repräsentiert werden als konservative Weiße auf dem Land.
Auch am Obersten Gerichtshof haben die Rechten dank Trumps Kandidatin Amy Coney Barrett wohl bald eine Mehrheit.
Die Präsidentschaft Trumps hat außer Steuersenkungen kaum etwas vorzuweisen. Bei der Besetzung von Richterstellen aber war er erfolgreich. Coney Barrett wäre schon seine dritte Richterin am Supreme Court. Weil sie auf Lebenszeit ernannt werden, könnte das Ungleichgewicht gut dreißig Jahre anhalten. Die Konservativen hoffen auf ein Bollwerk gegen die Modernisierung, das zum Beispiel Abtreibungen wieder verbietet. Bei einem knappen Wahlausgang hofft Trump sicher auch, dass ihm die Richter zum Sieg verhelfen.
Wahrscheinlich sitzen bald sogar Verschwörungstheoretiker für die Republikaner im Parlament. Die werden von Trump aktiv unterstützt. Gibt es auf der anderen Seite auch Absetzbewegungen weg von Trump? Das versuchen ein paar Senatskandidaten. Sie distanzieren sich etwas vom Coronakurs des Präsidenten und appellieren an Wähler, die Trump nicht ausstehen können, sie als Kontrollinstanz einzusetzen, sollte Joe Biden gewinnen. 1996 hat das bei der Wiederwahl Bill Clintons hier und da geklappt. Diesmal zweifle ich daran. Aber das ist eine Frage, die bis zur Wahl offen bleiben wird.
Und das selbst für Experten wie Max und Moritz. Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, noch Fragen haben, stellen Sie sie uns! Schreiben Sie schnell an podcast@nd-online.de, Max und Moritz werden sie mit etwas Glück schon in der nächsten Folge beantworten.