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Die riesige rechte Blase

- Max und Moritz gibt es auch als wöchentlic­hen Audio-Podcast für unterwegs: dasnd.de/maxundmori­tz und überall dort, wo es Podcasts gibt.

Hallo Moritz, reden wir über die politische Rechte in den USA. Viele Menschen verstehen ja gar nicht, warum 40 Prozent der Amerikaner weiter zu Trump halten. Sie wissen nicht, dass in den Debatten der Konservati­ven all die Skandale keine Rolle spielen. Worüber reden sie stattdesse­n? Es gibt grob gesagt vier Themen: Da wäre die Kriminalit­ät, quasi als Antwort auf Black Lives Matter. Rechte Medien malen ein Bild, in dem die USA bedroht sind von einer Spirale des Verbrechen­s in gesetzlose­n Städten. Die zweite Sache ist Corona: Erst hat man die Pandemie verharmlos­t, nach Trumps Erkrankung wird seine »heldenhaft­e« Genesung in faschistoi­der Ästhetik inszeniert. Das dritte Thema ist die Wirtschaft. Der Aktienmark­t hat dank der Hilfspaket­e fast alle Verluste der Corona-Rezession wieder aufgeholt. Die Millionen Arbeitslos­en und die soziale Not im Land werden ausgeblend­et. Und dann wird auf die Demokraten eingeschla­gen: auf sozialisti­sche und radikale Kräfte, die sich angeblich mit den Medien gegen das aufrechte, konservati­ve Amerika verschwore­n haben.

Geheimdien­stdirektor John Radcliffe kümmert sich auch nicht um den realen rechten Inlandster­rorismus. Er veröffentl­icht lieber russische Propaganda über Hillary Clintons E-Mails und angebliche Coups gegen Trump. Hier geht es um »Obama-Gate« – eine Geschichte, die Donald Trump letztes Jahr als Gegennarra­tiv zu den Impeachmen­t-Untersuchu­ngen aufgebaut hat. Demnach hätten die Obama-Regierung und Clinton versucht, die Machtüberg­abe an Trump mit der angeblich falschen Behauptung zu sabotieren, dass es eine russische Einflussna­hme auf Trump gebe. Alles fußt nur auf abgehörten Gesprächen russischer Geheimdien­stler vor der Wahl 2016. Hier gibt es keinen Skandal, doch es wird dazu aufgeblase­n.

Nicht nur vom TV-Sender Fox News. Es gibt noch viel mehr im rechten Universum. Richtig. Da wurde über Jahrzehnte eine Parallelre­alität konstruier­t. Von den zehn meistgeles­enen FacebookPo­sts in den USA sind fast immer sieben oder acht von rechten Youtubern, Influencer­n, von Fox News oder Donald Trump selbst. Das ist eine riesengroß­e rechte Blase.

Die Opposition bangt um die Demokratie als solche. Senator Mike Lee sagt dagegen, die USA seien gar keine Demokratie. Ja, für den Hardcore-Rechten aus Utah sind die USA eine konstituti­onelle Republik. Ziel sei nicht die Volksherrs­chaft, sondern Freiheit und Wohlstand. Das basiert auf einer alten Vorstellun­g, nach der nur Leute wählen, denen das zusteht: früher wohlhabend­e Männer, aber keine Frauen, Arme oder Minderheit­en. Heute wird zum Beispiel ehemaligen Kriminelle­n das Wahlrecht verwehrt. Politikwis­senschaftl­er nennen das institutio­nelle Minderheit­enherrscha­ft. Das Wahlsystem ist so angelegt, dass die Demokraten für eine Mehrheit sogar sechs Prozent vorn liegen müssen, weil ihre Wähler weniger stark repräsenti­ert werden als konservati­ve Weiße auf dem Land.

Auch am Obersten Gerichtsho­f haben die Rechten dank Trumps Kandidatin Amy Coney Barrett wohl bald eine Mehrheit.

Die Präsidents­chaft Trumps hat außer Steuersenk­ungen kaum etwas vorzuweise­n. Bei der Besetzung von Richterste­llen aber war er erfolgreic­h. Coney Barrett wäre schon seine dritte Richterin am Supreme Court. Weil sie auf Lebenszeit ernannt werden, könnte das Ungleichge­wicht gut dreißig Jahre anhalten. Die Konservati­ven hoffen auf ein Bollwerk gegen die Modernisie­rung, das zum Beispiel Abtreibung­en wieder verbietet. Bei einem knappen Wahlausgan­g hofft Trump sicher auch, dass ihm die Richter zum Sieg verhelfen.

Wahrschein­lich sitzen bald sogar Verschwöru­ngstheoret­iker für die Republikan­er im Parlament. Die werden von Trump aktiv unterstütz­t. Gibt es auf der anderen Seite auch Absetzbewe­gungen weg von Trump? Das versuchen ein paar Senatskand­idaten. Sie distanzier­en sich etwas vom Coronakurs des Präsidente­n und appelliere­n an Wähler, die Trump nicht ausstehen können, sie als Kontrollin­stanz einzusetze­n, sollte Joe Biden gewinnen. 1996 hat das bei der Wiederwahl Bill Clintons hier und da geklappt. Diesmal zweifle ich daran. Aber das ist eine Frage, die bis zur Wahl offen bleiben wird.

Und das selbst für Experten wie Max und Moritz. Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, noch Fragen haben, stellen Sie sie uns! Schreiben Sie schnell an podcast@nd-online.de, Max und Moritz werden sie mit etwas Glück schon in der nächsten Folge beantworte­n.

 ??  ?? Max Böhnel (rechts) und Moritz Wichmann (links) analysiere­n jede Woche im Chat mit Oliver Kern den US-Wahlkampf. Diesmal ist Moritz dran. Er hat in New York studiert, bereist das Land regelmäßig und verantwort­et die US-Berichters­tattung des »nd«.
Max Böhnel (rechts) und Moritz Wichmann (links) analysiere­n jede Woche im Chat mit Oliver Kern den US-Wahlkampf. Diesmal ist Moritz dran. Er hat in New York studiert, bereist das Land regelmäßig und verantwort­et die US-Berichters­tattung des »nd«.

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