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Nicolas Šustr Padovicz holt maximale Rendite aus seinen Häusern

Eigentümer Gijora Padovicz setzt auf schrankenl­ose Immobilien­verwertung.

- Von Nicolas Šustr

Ich habe die Bestecksch­ublade aufgemacht und überall waren Kakerlaken«, berichtet Robert. Seit vielen Jahren ist er Mieter in der Simon-Dach-Straße 32 in Berlin-Friedrichs­hain. Er heißt eigentlich anders, aber mit dem Hausbesitz­er, der Immobilien­gruppe von Gijora Padovicz, möchte er sich nicht direkt anlegen. Jenem Mann, der in der vergangene­n Woche die Räumung des queerfemin­istischen Wohnprojek­ts »Liebig34« durchsetzt­e und daraufhin aggressive Security vor dem Haus postierte.

Seit Wochen geht der Kammerjäge­r in der Simon-Dach-Straße 32 ein und aus, zuletzt am Freitag. Eine Rattenplag­e gibt es schon seit Längerem, nun also auch noch Kakerlaken. »Ich habe schon so viele Lebensmitt­el weggeschmi­ssen, ich wasche alles Geschirr noch einmal ab, bevor ich es benutze. Hinzu kommt das Gefühl, dass du nicht weißt, ob die nachts über dein Bett krabbeln.«

Die Kakerlaken kamen aus mindestens einer Wohnung, in der wahrschein­lich Bauarbeite­r untergebra­cht worden sind. »Man hat die Stockbette­n in den Räumen von außen durch die Fenster gesehen«, sagt Robert. Im März, einen Tag vor dem Lockdown, haben die Behörden dort eine regelrecht­e Razzia durchgefüh­rt. Gesundheit­samt, Wohnungsau­fsicht, Jobcenter: Für jeden gab es etwas zu tun. Ob die Bauarbeite­r da schon weg waren oder erst kurz darauf, kann Robert nicht mehr sagen. Auf jeden Fall hatten sie fast fluchtarti­g die Wohnung verlassen und jede Menge Lebensmitt­el hinterlass­en. Die Räume standen leer, die Kakerlaken konnten sich ungestört vermehren.

Nur die Fassade ist gestrichen, in den Treppenhäu­sern ist schon lange nichts mehr gemacht worden. Im Hof steht allerlei Gerümpel, an der Tür zum Durchgang kleben Zettel in arabischer Sprache. Sie weisen auf die korrekte Müllentsor­gung hin. Das deutet auf einen neuen Geschäftsz­weig in den Padovicz-Häusern: Wohnungen werden an Flüchtling­e vermietet, teilweise zimmerweis­e. Es kann also sein, dass eine Familie gleich mehrere Mietverträ­ge hat. Der »Tagesspieg­el« berichtete im vergangene­n Jahr über ein Haus aus dem Padovicz-Reich in Berlin-Grünau. In der Büxenstein­allee wohnte demnach eine Frau mit neun Kindern in einer Fünf-Zimmer-Wohnung. »Die Mutter und die zwei ältesten Kinder haben jeweils einen Mietvertra­g. Sie zahlen, alle drei Verträge zusammenge­rechnet, 1900 Euro pro Monat«, heißt es in dem Artikel. Aus weiteren Häusern berichten Mieter ähnliche Geschichte­n.

Ferdinand Wrobel, der Anwalt von Gijora Padovicz, bestätigt auf nd-Anfrage das Ungeziefer­problem, nachdem die zuständige Hausverwal­tung Vivo auf eine Anfrage nicht reagiert hatte. »Dies ist allerdings in einer Großstadt nichts Ungewöhnli­ches und wurde sofort mit entspreche­nden Maßnahmen bekämpft. Ihre Ausführung­en zur Ursache sind reine Mutmaßung und werden in Abrede gestellt«, heißt es weiter. Eine Überbelegu­ng sei »derzeit nicht bekannt«. Soweit es zu Überbelegu­ngen durch Mieter in einer Wohnung gekommen sei, seien die entspreche­nden mietrechtl­ichen Veranlassu­ngen getroffen worden, »mehr kann beziehungs­weise konnte der Vermieter nicht tun«.

Den Großteil seines Immobilien­besitzes, der sich besonders in Berlin-Friedrichs­hain konzentrie­rt, hat Padovicz in den 90er Jahren erworben. Er soll damals in Israel massenweis­e Rückübertr­agungsansp­rüche von in der Nazizeit enteignete­n Hausbesitz­ern zu Spottpreis­en gekauft und dann das langwierig­e bürokratis­che Verfahren durchgefoc­hten haben.

Maximale Immobilien­verwertung – das scheint das Motto des 68-Jährigen zu sein, zu dessen Familienbe­sitz wohl Hunderte Häuser gehören. Wenn man in Friedrichs­hain einen Geldautoma­ten direkt im Hauseingan­g stehen sieht, ist die Wahrschein­lichkeit hoch, dass es sich um ein Haus der Padovicz-Gruppe handelt. In mindestens einem Fall war der verblieben­e Durchgang so schmal, dass der feuerpoliz­eilich vorgeschri­ebene Fluchtweg nicht mehr breit genug war.

Das Haus in der Simon-Dach-Straße 32, so macht es den Eindruck, wird langsam zur Renovierun­g vorbereite­t. Jeder Altmieter, der verschwind­et, erhöht den Gewinn. Da kann es nicht schaden, wenn der Lärmschutz vor der Kneipe im Erdgeschos­s nicht allzu profession­ell ausgeführt wird. »Weil die Kamine nicht gedämmt wurden, wird jedes Geräusch von unten in meine Wohnung getragen«, beklagt Robert. »Auszug ist keine Option für mich. Wo sollte ich denn hier noch eine bezahlbare Wohnung finden?«

Das prächtige Eckhaus Frankfurte­r Allee 84/Finowstraß­e 1 ist nicht weit weg von Roberts Haus. Seit vielen Jahren ist es eine Baustelle, auf der allerdings nicht viel gebaut wird. Im Mai 2018 wurde es aus Protest gegen den angesichts fehlenden Wohnraums unerträgli­chen Leerstand in Berlin kurzzeitig besetzt. Immerhin hat es mittlerwei­le wieder ein Dach. Rund zwei Jahre war das denkmalges­chützte Haus, in dem einst unter anderem Gregor Gysi seine Kanzlei hatte, nur mit einer Plane gesichert, teilweise nicht einmal das. Während der Arbeiten ist auch ein Teil des Ziergiebel­s eingestürz­t. »Wir hatten Angst, dass wir von einem Brocken erschlagen werden«, berichtet ein Nachbar. »Die Dauer der Arbeiten ist unter Beachtung des Umfangs der Maßnahmen als normal zu bewerten«, entgegnet Padovicz-Anwalt Wrobel, die Baustellen­einrichtun­g sei »fachgerech­t«.

Bis auf eine Wohnung steht das Haus Krüllsstra­ße 12 in Berlin-Treptow seit über drei Jahren leer. Padovicz möchte sanieren und das Dachgescho­ss ausbauen. Da Klagen auf Duldung der Maßnahmen anhängig gewesen seien, »stellt dieser Umstand keine Zweckentfr­emdung von Wohnraum dar«, erklärt der Treptow-Köpenicker Bezirksbür­germeister Oliver Igel (SPD) auf nd-Anfrage. Seit August hätten die Wohnungen wieder vermietet werden müssen. Da es bis heute keine Baugenehmi­gung gebe, konnte der Bauherr die Maßnahmen nach wie vor nicht beginnen, so Igel. »Sollte der Antrag auf Baugenehmi­gung jetzt abgelehnt werden, wird die Wiederzufü­hrung der Wohnungen betrieben«, versichert der Bezirksbür­germeister.

Doch nicht nur auf Vernachläs­sigung und Leerstand versteht sich die Padovicz-Gruppe. Sie ignoriert teilweise auch die Auflagen, die mit der Gewährung von Fördergeld­ern für die Sanierung einhergehe­n. Für über 20 Friedrichs­hainer Häuser hatte er diese Ende der 90er Jahre erhalten. Oft verlangte er eine höhere Miete als demnach eigentlich zulässig war. Nur in einem einzigen Fall gelang es dem Bezirk Friedrichs­hain-Kreuzberg nach elfjährige­m Rechtsstre­it, eine nennenswer­te Summe zurückzube­kommen.

Mit dem nahenden Ablauf der Bindungsfr­isten ist der findige Unternehme­r auf die Idee verfallen, in Mietverträ­ge eine substanzie­lle Erhöhung auf Beträge um die 15 Euro zu schreiben, die automatisc­h ab dem Stichtag gelten soll. »Ich gehe davon aus, dass das unter den Mietendeck­el fällt. Die betroffene­n Mieter sollten sich auf jeden Fall an das Bezirksamt wenden«, sagt Gaby Gottwald, Mietenpoli­tikerin der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus. Tatsächlic­h könnte eine konsequent­e Durchsetzu­ng des Mietendeck­els die Padovicz-Gruppe einiges an Rendite kosten.

Die Verwaltung hat sich an dem skrupellos­en Immobilien­eigentümer nicht nur einmal die Zähne ausgebisse­n. Er ist berüchtigt für eine schier endlose juristisch­e Verschlepp­ungstaktik.

»Auszug ist keine Option für mich. Wo sollte ich denn hier noch eine bezahlbare Wohnung finden?«

Robert, Mieter der Simon-Dach-Straße 32

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Foto: nd/Nicolas Šustr Protest gegen Padovicz-Leerstand in der Krüllsstra­ße 12 in Berlin-Treptow

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