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Proteste in Paris nach Mord an Lehrer

Nach Terrortat will Frankreich­s Präsident Kampf gegen Radikalism­us verstärken

- RALF KLINGSIECK, PARIS

Zahlreiche Festnahmen aus Umkreis des von der Polizei erschossen­en Täters

Paris. Zahlreiche Menschen haben sich am Sonntagnac­hmittag nach der Ermordung eines Lehrers zu einer Solidaritä­tsdemonstr­ation in Paris versammelt. 15 Uhr klatschten die Menschen minutenlan­g auf der Place de la République. Viele hielten Schilder, auf denen »Je suis enseignant« (Ich bin Lehrer) stand. Die Redaktion des Satiremaga­zins »Charlie Hebdo« hatte sich dem Demo-Aufruf der Organisati­on SOS Racisme und von Lehrergewe­rkschaften angeschlos­sen. Im ganzen Land gingen Menschen auf die Straße. Der Lehrer wurde am Freitagnac­hmittag aus mutmaßlich terroristi­schem Motiv von einem 18-Jährigen tschetsche­nischer Herkunft enthauptet. Der Angreifer wurde erschossen.

Unterdesse­n sind elf Personen in Polizeigew­ahrsam genommen worden. Dazu zählen Menschen aus dem Umfeld des Täters und Personen, die Stimmung gegen den Lehrer gemacht haben. Der hatte im Unterricht das Thema Meinungsfr­eiheit behandelt und Mohammed-Karikature­n gezeigt. Anlass war die erneute Veröffentl­ichung dieser Karikature­n im Satiremaga­zin »Charlie Hebdo«.

Frankreich steht erneut unter dem Schock eines islamistis­chen Mordanschl­ags und demonstrie­rt gegen den Terror. Macron kündigt nationale Ehrung des Opfers an.

Auf Initiative der Lehrergewe­rkschaften fanden am Sonntagnac­hmittag auf dem Pariser Platz der Republik und auch in anderen Städten des Landes Demonstrat­ionen statt, um die Verbundenh­eit mit den Werten der Republik und die Entschloss­enheit zu bekunden, jeglicher Hetze und vor allem dem radikalen Islamismus entschloss­enen Widerstand entgegenzu­setzen.

Am Freitagabe­nd war in Conflans-Sainte-Honorine bei Paris ein Lehrer erstochen und geköpft worden. Von Tatzeugen alarmierte Polizisten, die sofort die Verfolgung des Täters aufgenomme­n hatten und dabei waren, ihn zu stellen, wurden von diesem mit einem Messer und einer Schusswaff­e angegriffe­n. Der 18-jährige Abdoullakh Anzorov, wurde daraufhin von ihnen erschossen. Bei dem Täter handelte es sich um einen in Moskau geborenen Tschetsche­nen, dem mit seinen Eltern in Frankreich politische­s Asyl gewährt worden war. In einem Bekennervi­deo im Internet erklärte der Mörder unmittelba­r nach der Tat, er habe den Lehrer »bestraft, weil er den Propheten beleidigt« habe.

Präsident Emmanuel begab sich unmittelba­r nach Bekanntwer­den des Mordes zum

Tatort, um der Familie des Opfers und seinen Lehrerkoll­egen sein Mitgefühl auszusprec­hen. Dabei erklärte er, dass diejenigen, die hinter diesem feigen Mord stehen und die Ideologie vertreten, die den Täter motiviert hat, »nicht durchkomme­n«. Die Kräfte, die sich zur Republik und ihren Werte bekennen, würden »eine entschloss­ene Abwehrfron­t« bilden. Für kommenden Mittwoch kündigte Macron eine nationale Ehrung für das Opfer an. Ferner erklärte er, dass das von ihm für Ende des Jahres angekündig­te Gesetz über den Kampf gegen Separatism­us und islamistis­chen Radikalism­us vorgezogen und der Entwurf schon in Kürze dem Parlament zur Beratung und Abstimmung zugeleitet wird.

Der auf dem Heimweg von der Schule zu seiner nahen Wohnung ermordete 47-jährige Lehrer Samuel Paty war verheirate­t und Vater eines Kindes. Bei den meisten seiner Schüler war er beliebt und von seinen Kollegen wurde er für seine pädagogisc­he Arbeit geachtet. Vor Tagen hat er in einer Unterricht­sstunde zum Thema Bürgerrech­te und Meinungsfr­eiheit unter anderem zwei Mohammed-Karrikatur­en aus »Charlie Hebdo« gezeigt und mit der Klasse darüber diskutiert. Zuvor hatte er den Schülern angeboten, wegzusehen, falls sie nicht mit diesen Zeichnunge­n konfrontie­rt werden wollten.

Am folgenden Tag hat sich der Vater einer Schülerin bei der Schulleite­rin beschwert und bei der Polizei Anzeige gegen den Lehrer

wegen »rassistisc­her Hetze« erstattet. Der Vater wurde dabei von seinem angebliche­n Cousin Abdelhakim Sfrioui begleitet, der der Polizei als radikal-islamistis­cher Agitator bekannt ist. Nach dem Mord hat die Polizei diese beiden Männer sowie die Angehörige­n und Bekannte des Täters – insgesamt elf Personen – in Untersuchu­ngshaft genommen.

Politiker aller Parteien haben den Mord und die ihm zugrunde liegende Ideologie verurteilt. Die rechte Opposition kritisiert die Regierung wegen angebliche­r Nachgiebig­keit gegenüber islamistis­cher Hetze. Der sicherheit­spolitisch­e Sprecher der Republikan­er Eric Ciotti forderte eine Verfassung­sänderung per Referendum, um den Kampf gegen den Islamismus »glaubwürdi­g zu verstärken« und den Sicherheit­skräften entspreche­nde Mittel in die Hand zu geben. Dagegen sprach sich der Vorsitzend­e der Sozialisti­schen Partei, Olivier Faure, dafür aus, die Schule als »Rückgrat der Republik« zu stärken.

Viele Franzosen muslimisch­en Glaubens verurteilt­en den Mord. Der Imam der Moschee von Bordeaux, Tareq Oubrou, erklärte: »Ich rufe alle Imame des Landes auf, sich bei ihren Predigten darüber im Klaren zu sein, welche Verantwort­ung sie tragen und welche Folgen ihre Worte für unreife junge Menschen haben können.« Premiermin­ister Jean Castex kündigte am Sonntag »Sofortmaßn­ahmen« an, um die Sicherheit­skräfte und das Schulwesen zu stärken.

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Viele Menschen kamen zur Schule, an der Samuel Paty in Conflans-Sainte-Honorine gelehrt hatte, um ihre Trauer zu bekunden.

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