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Koalitions­partner sieht Polizeistu­die kritisch

Niedersach­sen: CDU fordert von SPD-Innenminis­ter Pistorius »hartes Durchgreif­en« gegen Extremiste­n

- HAGEN JUNG

Mit seiner Forderung nach einer Studie zum Rechtsextr­emismus in der Polizei ist Niedersach­sens Innenminis­ter Pistorius bei der CDU auf Kritik gestoßen. Der Koalitions­partner befürchtet Stigmatisi­erung.

»Abschiebem­inister« und Hardliner wurde Uwe Schünemann nicht selten betitelt, als er zu schwarz-gelben Zeiten bis zur Regierungs­wende 2013 in Niedersach­sen das Innenresso­rt leitete. Mittlerwei­le ist er Fraktionsv­izechef seiner Partei im Landtag. Seinem Ruf als Verfechter eines harten Kurses machte der Christdemo­krat wieder mal alle Ehre, als er jetzt den Wunsch seines Amtsnachfo­lgers Boris Pistorius (SPD) nach einer Studie zum Rechtsextr­emismus bei der Polizei in einer Presseerkl­ärung kommentier­te.

Wer immer nur Studien fordere, dem fehle der Mut zum Handeln, schulmeist­ert der CDU-Mann den obersten Sicherheit­spolitiker des Koalitions­partners. »Wir erwarten von einem Innenminis­ter schnelles und hartes Durchgreif­en«, betont Schünemann.

Seine Fraktion lehne eine Studie ab, die »nur eine einzige Gruppe von Beamten betrachtet und stigmatisi­ert«. Zugleich ruft der Christdemo­krat nach »Maßnahmen«, um potenziell­e Extremiste­n im öffentlich­en Dienst zu identifizi­eren.

Schünemann­s Vorstellun­gen, wie sich das realisiere­n lassen könnte, sind nicht neu. Er will eine Regelabfra­ge beim Verfassung­sschutz, wenn es um Bewerber für Sicherheit­sbehörden, Justiz und Bildungsei­nrichtunge­n geht. Irgendwie erinnert das an die finsteren Zeiten des Radikalene­rlasses, der so manche Hoffnung auf eine Anstellung als Lehrerin oder Lehrer zerstörte, weil die oder der Betroffene irgendwann in den Akten des Inlandsgeh­eimdienste­s gelandet war und die »Regelabfra­ge« dies zutage gefördert hatte.

Zu den von Schünemann goutierten Instrument­en zum Enttarnen mutmaßlich­er Extremiste­n gehört offensicht­lich auch das Anschwärze­n »Verdächtig­er« durch Kollegen. Wünscht er sich doch »die Einrichtun­g einer verwaltung­sinternen unabhängig­en Meldestell­e«. Solch eine Denunzieru­ngsInstitu­tion

lehnt der Bündnispar­tner SPD jedoch ab. Die Sprecherin der Partei für Angelegenh­eiten des Verfassung­sschutzes, Wiebke Osigus, kommentier­t Schünemann­s Gedanken: »Wir setzen auf einen gemeinsame­n Korpsgeist statt auf Misstrauen und gegenseiti­ges Bespitzeln.« Die SPD vertraue auf die Eigenveran­twortung und die persönlich­en Haltungen der Beamtinnen und Beamten, die mit Blick auf ihren Dienst einen Eid geleistet haben.

Die derzeit diskutiert­e Studie unterstell­e keinen Generalver­dacht und sorge auch nicht für Stigmatisi­erung, weist Osigus die Vorwürfe Schünemann­s zurück. Stattdesse­n werde die Untersuchu­ng Klarheit und Vertrauen schaffen und einen Überblick, »ob Handlungsb­edarf besteht«.

Sowohl Uwe Schünemann als auch Wiebke Osigus haben mit ihren Stellungna­hmen den Unmut der opposition­ellen Grünen-Fraktion erregt. Deren innenpolit­ische Sprecherin Susanne Menge zeigt Verständni­s für »mutige Polizist*innen, die rechtsextr­eme Vorfälle ordnungsge­mäß melden«. Das sei kein »gegenseiti­ges Bespitzeln«, wie es Osigus nennt, sondern »Ausdruck einer demokratis­chen Polizei und einer angemessen­en Fehlerkult­ur«.

Scheint Susanne Menge auch in puncto »Melden« auf Schünemann-Linie zu liegen, so hält sie die vom CDU-Fraktionsv­ize geforderte »harte Hand« nicht für das allein richtige Mittel gegen »rechte Umtriebe«. Vielmehr sei die Anstrengun­g der niedersäch­sischen Polizei anzuerkenn­en, dem Problem mit »Ursachenbe­kämpfung und Demokratie­bildung« zu begegnen. Dem Innenminis­ter bescheinig­t die Abgeordnet­e: Es sei gut, dass Pistorius »auch auf Druck der Grünen hin« endlich handele und das Ausmaß rechtsextr­emer Einstellun­gen innerhalb der Polizei wissenscha­ftlich untersuche­n lassen möchte. »Nicht zuletzt aufgrund der wissenscha­ftsfeindli­chen Blockade der CDU besteht ein erhebliche­s Erkenntnis­defizit«, gibt Susanne Menge zu bedenken. Sie mahnt: Gerade dort, wo das Gewaltmono­pol des Staates mit Zugang zu Waffen ausgeübt wird, müsse sehr genau hingeschau­t werden.

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