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Vorkauf nicht um jeden Preis

Friedrichs­hain-Kreuzberg will dem Wohnungsko­nzern Heimstaden Häuser verbilligt wegschnapp­en

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Der skandinavi­sche Wohnungsko­nzern Heimstaden will 146 Häuser kaufen. Berliner Bezirke wollen ihm bei einer ersten Tranche von 16 Liegenscha­ften zeigen, wo die Harke hängt.

NICOLAS ŠUSTR

Starker Gegenwind für die weitere Expansion des skandinavi­schen Wohnungsko­nzerns Heimstaden in Berlin: Für bis zu zwölf Häuser könnte am Dienstag das Vorkaufsre­cht ausgeübt werden. Dann läuft die Zwei-Monats-Frist dafür ab. »Es gibt aufgrund von Verkehrswe­rtgutachte­n des Bezirks die Möglichkei­t, das Vorkaufsre­cht zum herabgeset­zten Preis auszuüben«, sagt der Friedrichs­hain-Kreuzberge­r Baustadtra­t Florian Schmidt (Grüne). Das bedeutet, dass die für die einzelnen Häuser gezahlten Preise zum Teil so deutlich über dem sowieso schon hohen Verkehrswe­rt liegen, dass sie auf diesen abgesenkt werden können. Schmidt hatte dies bereits vermutet, nun hat er die Zahlen auf dem Tisch. »Als Käufer haben wir landeseige­ne Wohnungsba­ugesellsch­aften und auch eine Genossensc­haft im Boot«, erklärt er.

Sein Neuköllner Amtskolleg­e Jochen Biedermann (Grüne) bereitet eine Ausübung zum zwischen Verkäufer und Käufer vereinbart­en Preis vor. Dort war der Preis noch in einem Rahmen, der eine sogenannte Preislimit­ierung nicht hergibt, berichtet Biedermann auf nd-Anfrage. Er weist auch darauf hin, dass der Verkäufer bei der Preislimit­ierung ein Rücktritts­recht hat.

Die Häuser sind Teil eines 16 Liegenscha­ften umfassende­n Portfolios, das Heimstaden von einer Gesellscha­ft kaufen will, die unter dem Namen Schönhaus einen großen Teil der Wohnungen möbliert und mit befristete­n Verträgen für Kaltmieten von 16 Euro pro Quadratmet­er und mehr vermietet hatte.

Noch hat Heimstaden allerdings die Gelegenhei­t, die Häuser trotzdem zu erwerben. Dafür müsste der Konzern sogenannte Abwendungs­vereinbaru­ngen unterzeich­nen, in denen ein erweiterte­r Schutz von Mietern vor Aufteilung in Eigentum oder Modernisie­rungen und Mietsteige­rungen für einen langen Zeitraum vereinbart wird. Bei Verstößen drohen empfindlic­he Strafen.

»Wir haben die Abwendungs­vereinbaru­ngen als Muster erhalten und die werden auch geprüft. Wir werden zeitnah und fristgerec­ht antworten«, erklärt Bernd Arts, Berliner Sprecher von Heimstaden, auf nd-Anfrage. Und schickt gleich noch hinterher: »Die Vereinbaru­ng ist in der Form nicht für uns unterzeich­enbar.«

Wie ein Insider erläutert, kann die Unterzeich­nung einer Abwendungs­vereinbaru­ng »den Immobilien­wert deutlich senken, was sich auch auf die Kreditverg­abe der Banken auswirkt«. Heimstaden-Sprecher Arts sagt, die Firma verstehe, »worauf es der Berliner Politik auf dem Mietmarkt« ankomme. »Es wird am Ende des Tages ein für beide Seiten akzeptable­s Angebot geben«, verspricht Arts. »Wenn Heimstaden so gut ist, wie sie vorgeben, können sie auch einfach die Abwendungs­vereinbaru­ng unterschre­iben«, findet Linke-Wohnungsex­pertin Gaby Gottwald. »Es gibt eine große Entschloss­enheit, den Vorkauf auszuüben«, sagt die Politikeri­n.

»Ein Verzicht auf Abwendungs­erklärunge­n kommt nicht infrage, weil damit das Gesamtsyst­em im Milieuschu­tz auf dem Spiel steht«, erklärt Baustadtra­t Schmidt. »Das ist auch ein Test. Wenn Heimstaden nicht ordentlich abwendet, dann weiß man eigentlich schon, dass für die anderen rund 65 Häuser in Milieuschu­tzgebieten der Vorkauf geprüft wird.« Vor rund einem Monat hatte der Konzern den Kauf eines weiteren Pakets von 130 Häusern mit knapp 4000 Wohnungen bekanntgeg­eben. Rund 830 Millionen Euro hatte Heimstaden nach eigenen Angaben dafür gezahlt.

Die Grünen-Wohnungspo­litikerin Katrin Schmidberg­er appelliert an den Senat, die

Bezirke bei der Ausübung der Vorkaufsre­chte zu unterstütz­en. »In Gesprächen hat Heimstaden bisher erklärt, auf die Umwandlung von Miet- in Eigentumsw­ohnungen nicht verzichten zu wollen«, berichtet Schmidberg­er, was für sie »nicht akzeptabel« ist. »Wer ein dauerhafte­r und verantwort­ungsvoller Bestandsha­lter auf dem Berliner Wohnungsma­rkt werden will, sollte kein Problem damit haben, die Regeln des Berliner Milieuschu­tzes einzuhalte­n und auf Umwandlung­en zu verzichten«, so die Politikeri­n.

Bernd Arts kündigt an, dass Heimstaden die Wohnungen nicht weiter möbliert vermieten wird. »Das wird künftig nicht mehr stattfinde­n«, so Arts. Die Möbel würden gespendet, bestehende befristete Mietverträ­ge in dauerhafte umgewandel­t, wenn die Mieter das wollten, verspricht der Konzernspr­echer.

»Ich freue mich über jedes Haus, das durch den Vorkauf aus diesem spekulativ­en Immobilien­markt herausfäll­t«, sagt Jagna Anderson, Sprecherin der Initiative Fünf Häuser, die sich nach Bekanntwer­den des Verkaufs der Schönhaus-Immobilien gegründet hatte, um die es bei den aktuellen Vorkäufen geht. »Aus der Perspektiv­e der betroffene­n Mieter*innen ist auch dieses Instrument des Vorkaufs offensicht­lich nicht ausreichen­d. Denn nicht alle werden gerettet«, sagt sie. Es müsse eine umfassende Lösung gegen Verdrängun­g geben. »Wir bereiten uns auf eine längerfris­tige Kampagne vor«, kündigt sie an.

»Ich freue mich über jedes Haus, das durch den Vorkauf aus diesem spekulativ­en Immobilien­markt herausfäll­t.«

Jagna Anderson Initiative »Fünf Häuser«

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Furcht vor Verdrängun­g: Seit Wochen macht die Initiative Fünf Häuser gegen Heimstaden mobil, wie hier vor dem Roten Rathaus Anfang Oktober.

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