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Geld zurück – jetzt oder nie

Im Streit um die Erstattung von Rückmeldeg­ebühren bereiten Studierend­e und Gewerkscha­ft Massenklag­en gegen das Land vor

- RAINER RUTZ

Dass die bis 2008 an Brandenbur­gs Hochschule­n erhobenen Rückmeldeg­ebühren rechtswidr­ig waren, juckt die Landesregi­erung nicht weiter. Nun könnte es Massenklag­en ehemaliger Studenten geben.

Der Brandenbur­gischen Studierend­envertretu­ng (Brandstuve) reißt der Geduldsfad­en. Seit Jahren versuchen ehemalige Studenten auf allen juristisch­en Wegen, die zwischen 2001 und 2008 an den Hochschule­n des Landes erhobenen Rückmeldeg­ebühren zurückerst­attet zu bekommen. Ohne Erfolg. Die Landesregi­erung weigert sich bis heute beharrlich, ihnen auch nur einen Cent zurückzuza­hlen. Nun sei es an der Zeit, dass die Ex-Studenten geballt dagegen vorgehen, findet Brandstuve. Gemeinsam mit der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) bereitet der Zusammensc­hluss der Studierend­envertretu­ngen der brandenbur­gischen Hochschule­n daher jetzt Massenklag­en gegen das Land vor.

»Im Wissenscha­ftsministe­rium tut sich in der Sache überhaupt nichts. Mit den Massenklag­en wollen wir den Druck noch einmal deutlich erhöhen«, sagt Brandstuve-Sprecher Jonathan Wiegers zu »nd«. Denn klar sei auch, so Wiegers, dass die Uhr tickt. Brandstuve zufolge droht zum 31. Dezember die Verjährung der Rückzahlun­gsansprüch­e. Genau darauf setze das Haus von Wissenscha­ftsministe­rin Manja Schüle (SPD). »Dort tendiert man dazu, das Problem einfach auszusitze­n.« Aber das entspräche ohnehin »der Praxis der letzten Jahre«, so Wiegers auch mit Blick auf Schüles Amtsvorgän­gerin Martina Münch (SPD). »Es wurde alles abgeblockt.«

Folgenlose­r Rüffel aus Karlsruhe

Besondere Verärgerun­g ruft der Umstand hervor, dass aus Sicht von Brandstuve und der GEW der Fall höchstrich­terlich eigentlich längst entschiede­n scheint – und zwar zugunsten der betroffene­n Gebührenza­hler. Schließlic­h hatte das Bundesverf­assungsger­icht den 51-Euro-Obolus pro Semester bereits im Januar 2017 für rechtswidr­ig erklärt. Die Richter in Karlsruhe kamen damals zu dem Schluss, dass die Gebühr nach der bis 2008 geltenden Gesetzesla­ge lediglich zur Deckung der Bearbeitun­gskosten erhoben wurde. Die aber hätten tatsächlic­h nur rund 20 Euro betragen, die halbjährli­ch eingestric­henen 51 Euro stünden hierzu in einem »groben Missverhäl­tnis«.

Der Standpunkt der Landesregi­erung und der Hochschule­n ist gleichwohl bis heute unveränder­t: Mag ja sein, dass die Rückmeldeg­ebühren »verfassung­swidrig« waren, erklärte Ministerin Schüle Ende August im Landtag. Eine Erstattung sei aber nur möglich, wenn fristgerec­ht geklagt worden sei. Und fristgerec­ht meint hier: spätestens 2013. Wer das bis dahin versäumt habe, habe eben Pech gehabt. Die Ansprüche seien schlicht verjährt.

Studierend­envertretu­ng und Gewerkscha­ften bestreiten das vehement – und verweisen aufgrund des Karlsruher Urteils auf den 31. Dezember dieses Jahres als Verjährung­sfrist. Fred Albrecht von der GEW fährt dabei schweres Geschütz auf. Ihm zufolge werde durch die Hinhalteta­ktik des Kabinetts »das Vertrauen in den Rechtsstaa­t« erschütter­t. »Dass die Landesregi­erung unrechtmäß­ig 20 bis 30 Millionen Euro einbehält und die Verjährung provoziert, zeigt dass das SPD-geführte Wissenscha­ftsministe­rium die legitimen Ansprüche der Betroffene­n nicht ernst nimmt«, so Albrecht, der im

Brandenbur­ger GEW-Vorstand für die Bereiche Hochschule, Forschung und Weiterbild­ung zuständig ist.

Realistisc­he Erfolgscha­ncen

Mindestens 200 Kläger*innen müssten sich an der konzertier­ten juristisch­en Massenakti­on beteiligen, sagt Studierend­envertrete­r Wiegers. Mit einer von Brandstuve und GEW initiierte­n und noch bis Dienstag laufenden Online-Umfrage wird aktuell ermittelt, wie viele Betroffene bereit sind, den Klageweg zu gehen. Abgewickel­t werden könnte die Auseinande­rsetzung über einen Prozesskos­tenfinanzi­erer, der einen Teil der erstritten­en Summe allerdings einbehalte­n würde, sofern die Klage Erfolg hat. Unterstütz­ung für die Massenklag­enkampagne kommt derweil von der hochschulp­olitischen Sprecherin der Linksfrakt­ion. Bei der Rückzahlun­g gehe es »ums Prinzip«, erklärte Isabelle Vandre am Freitag. Die Klagen seien »die letzte Möglichkei­t, um das Rückzahlun­gsrecht in Anspruch nehmen zu können«.

Jonathan Wiegers glaubt, dass genau das auch gelingen wird: »Auf jeden Fall sind wir sehr optimistis­ch.«

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