nd.DerTag

»Boykott ist ein großes Wort«

Klub-Bosse ärgern sich über die vergangene Abstellung­speriode

- ALEXANDER SARTER SID

Als sich Alexander Rosen live im TV in Rage redete, schreckte er selbst vor der ultimative­n Drohung nicht zurück. »Boykott ist ein großes Wort«, sagte der Sportchef des Fußball-Bundesligi­sten TSG Hoffenheim, der seinem Ärger über die zurücklieg­ende Abstellung­speriode Luft machte: »Aber es ist an der Zeit, ein Ausrufezei­chen zu setzen. Zur Not müssen wir intensiver darüber nachdenken, die Jungs nicht gehen zu lassen.«

Dass ausgerechn­et Rosen seine Wut auf den Weltverban­d FIFA und die Europäisch­e Fußball-Union (UEFA) derart deutlich formuliert­e, hatte natürlich einen Hintergrun­d. Schließlic­h musste die TSG gegen Borussia Dortmund (0:1) unter anderem auf ihren Top-Torjäger Andrej Kramaric (sechs Tore in den ersten drei Saisonspie­len) verzichten, weil der sich bei den zurücklieg­enden Reisen mit der kroatische­n Nationalma­nnschaft mit dem Coronaviru­s infiziert hatte.

»Die Klubs bezahlen die Spieler und arbeiten mit allem daran, dass die Abläufe ordnungsge­mäß durchgefüh­rt werden. Und dann hat man das Gefühl, dass es den übergeordn­eten Verbänden einfach egal ist – Hauptsache durchgedrü­ckt«, ereiferte sich Rosen bei Sky: »So wie es gelaufen ist, geht es definitiv nicht. Es ist einfach unverantwo­rtlich.«

Einige von Rosens Kollegen schlugen in dieselbe Kerbe. Es sei »völliger Irrsinn, dass Mannschaft­en in einer solchen Phase wie wild durch die Gegend reisen und in Risikogebi­ete fliegen«, sagte Sportchef Horst Heldt vom 1. FC Köln bei Sportbuzze­r: »Es sind die Vereine, die die Spieler bezahlen, nicht die Verbände.« Und wie Rosen will sich Sportdirek­tor Markus Krösche von RB Leipzig angesichts der steigenden Corona-Zahlen »schon Gedanken machen«, ob eine Abstellung in der nächsten Periode »Sinn macht«.

Wenn die Klubs keine Auseinande­rsetzungen mit der FIFA riskieren wollen, sind ihre Optionen allerdings begrenzt. Denn die Regularien sind eindeutig. Die Vereine müssen ihre Auswahlspi­eler nicht bereitstel­len, wenn am Ort des Vereins oder am Ort des Länderspie­ls »eine zwingende Quarantäne oder Selbstisol­ation von mindestens fünf Tagen« einzuhalte­n ist oder »eine Reisebesch­ränkung« für eine dieser Städte besteht. Wenn die Behörden den Nationalte­ams für diese Fälle aber eine »Ausnahmebe­willigung« ausgestell­t haben, müssen die Klubs ihre Spieler abstellen.

Zudem sind nicht nur die Länderspie­lreisen, die es auch aufgrund von Verträgen der Nationalve­rbände mit der UEFA schon im November wieder geben wird, ein Problem. Schließlic­h fliegen auch die Europacup-Teilnehmer ab den kommenden Tagen quer durch die Weltgeschi­chte. Lucien Favre bereitet das große Sorgen. »Diese Reiserei ist gefährlich«, sagte der BVB-Trainer: »Ich denke, wir müssen sehr aufpassen. Es werden mehr Fälle kommen.«

Insgesamt sind es die Corona-Ängste, die Furcht vor Verletzung­en aufgrund der hohen Belastung und die Fragezeich­en hinter dem Sinn von einigen Länderspie­len, die bei vielen Beteiligte­n für allerlei Unmut sorgen. Letztlich geht es aber vor allem ums Geld – und die nur schwer zu beantworte­nde Frage, ob es die Verbände oder doch die Klubs derzeit dringender brauchen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany