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Neuanfang in Bolivien

Martin Ling über den haushohen Wahlsieg der Sozialiste­n

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Der Putsch gegen Evo Morales ist Geschichte. Die Bewegung zum Sozialismu­s (MAS) ist bald an den Schalthebe­ln Boliviens zurück. Luis Arce, 13 Jahre Wirtschaft­sminister unter Präsident Morales (2006–2019), hat an den Urnen die Regierungs­macht in einer Art zurückerob­ert, die keine Zweifel lässt: absolute Mehrheit in der ersten Runde und mehr als 20 Prozentpun­kte Vorsprung vor dem neoliberal­en Carlos Mesa. Dass die rechtsreak­tionäre Defacto-Präsidenti­n Jeanine Áñez bereits gratuliert hat, spricht Bände. Es gibt am Sieg von Arce nichts zu deuteln.

Mit dem Wahlsieg von Arce ist der Versuch der Rechten gestoppt, die indigene Hegemonie zu brechen. Nach dem Amtsantrit­t von Evo Morales ab 2006 wurde die sogenannte Neugründun­g Boliviens auf den Weg gebracht. Dazu gehörte die Verstaatli­chung der Rohstoffe ebenso wie eine Landreform und eine neue Verfassung auf der Basis einer Verfassung­gebenden Versammlun­g. All das war und ist den alten wirtschaft­lichen Eliten ein Dorn im Auge, weil es ihre Pfründe beschneide­t.

Áñez warnte vor der Rückkehr der »Wilden« an die Macht und versuchte mit der Justiz, die MAS von den Wahlen auszuschli­eßen. Sie ist dabei so gescheiter­t wie mit ihrem Coronakris­en-Management.

Die MAS hat mit Luis Arce nun eine zweite Chance. »Wir werden die Wirtschaft wieder in Gang bringen und unser Programm ohne Hass neu auflegen«, verkündete er als zentrale Botschaft. Beides hat das extrem polarisier­te Land mehr als nötig. Der Wahlsieg von Arce kann nur ein Neuanfang sein. Dass sich der Einheitspa­kt, ein Bündnis verschiede­ner indigener und Bauern-Organisati­onen, nach dem Bruch von 2011 wieder formiert hat, ist ein gutes Zeichen. Denn die Neugründun­g Boliviens ist noch lange nicht abgeschlos­sen.

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