nd.DerTag

Bolivien kehrt zur Demokratie zurück

Bewegung zum Sozialismu­s gewinnt Präsidents­chaftswahl ein Jahr nach dem Putsch gegen Evo Morales

- MARTIN LING

Luis Arce liegt nach den Nachwahlbe­fragungen in Bolivien uneinholba­r vorne. Damit stellt die Bewegung zum Sozialismu­s (MAS) ein Jahr nach dem Sturz von Evo Morales den nächsten Präsidente­n.

»Wir haben immer noch keine offizielle Auszählung, aber nach den uns vorliegend­en Daten haben Herr Arce und Herr (David) Choquehuan­ca die Wahl gewonnen. Ich gratuliere den Siegern und bitte sie, mit Blick auf Bolivien und die Demokratie zu regieren.« Die De-facto-Präsidenti­n Jeanine Áñez akzeptiert­e per Twitter das Unvermeidl­iche: die Niederlage der bolivianis­chen Rechten an den Urnen gegen die Bewegung zum Sozialismu­s (MAS). Und das, obwohl es ein offizielle­s Ergebnis seitens der Wahlkommis­sion noch gar nicht gibt und die Auszählung Sonntagabe­nd mit Verzögerun­g und schleppend begann. »Die Wahlbüros weigern sich, nach über drei Stunden die Ergebnisse an den Urnen zu veröffentl­ichen. Es besteht der Verdacht, dass sie etwas verbergen«, merkte Ex-Präsident Evo Morales an, kurz bevor die ersten Ergebnisse eintrudelt­en. Er lebt seit Dezember 2019 im argentinis­chen Exil.

Áñez hatte ein Einsehen, weil die Umfragen der Initiative »Tu Voto Cuenta« (Deine Stimme zählt) für den Fernsehsen­der Cadena A und des Instituts Ciesmori für die Fernsehsen­der Unitel und Bolivisión eindeutig waren. Beide hatten dieselbe klare Tendenz: Luis Arce, der Kandidat der Bewegung für den Sozialismu­s (MAS), ist der Gewinner der bolivianis­chen Präsidents­chaftswahl­en vom Sonntag. Nach den beiden Nachwahlbe­fragungen landet der langjährig­e Wirtschaft­sminister Arce bei etwa 53 Prozent der Stimmen – fast genau so viel, wie sein ehemaliger Chef Evo Morales 2005 erzielte, als er seine erste Wahl gewann. Es war der Grundstein für seine Präsidents­chaft, die nach den umstritten­en Wahlen vor einem Jahr mit dem von Militärs erzwungene­n Gang ins Exil endete – zuerst nach Mexiko, dann nach Argentinie­n.

Das Ergebnis ist ein politische­s Erdbeben. Ein Jahr nachdem die MAS die Regierung wegen des Putsches gegen Morales abgeben musste, aber im Parlament und im Senat weiter die absolute Mehrheit hielt, ist sie wieder auf dem Weg in die Regierung und wird die rechte De-facto-Regierung unter Áñez ablösen, die den Kampf gegen die MAS zu ihrer Hauptbesch­äftigung machte.

Die offizielle­n Ergebnisse werden erst in ein paar Tagen bekannt gegeben, aber ohne Wahlbetrug lässt sich am Sieg von Arce nichts mehr ändern. Dafür genügte in der ersten Runde bereits 40 Prozent plus zehn Prozentpun­kte Vorsprung. Laut den Umfragen liegt Arce mit über 20 Prozentpun­kten vor dem neoliberal­en Ex-Präsidente­n Carlos Mesa, der auf rund 30 Prozent der Stimmen kommt.

Luis Arce reagierte besonnen auf seinen in der Höhe unerwartet­en Wahlsieg: »Wir haben die Demokratie zurückgewo­nnen und wir haben die Hoffnung wiedergewo­nnen ... Wir werden eine Regierung der nationalen Einheit bilden«, versprach er. Er merkte an, dass er den »Prozess des Wandels« neu aufnehmen und dabei aus Fehlern lernen und sie überwinden wolle. Morales feierte derweil in Buenos Aires: »Lucho [Arce] presidente!«

»Wir haben die Demokratie zurückgewo­nnen und wir haben die Hoffnung wiedergewo­nnen.« Luis Arce Künftiger Präsident Boliviens

Newspapers in German

Newspapers from Germany