nd.DerTag

Vorwürfe gegen Erzbischof

Hamburgs Oberhirte soll in Köln Missbrauch­sfälle vertuscht haben

- HAGEN JUNG

Gegen Hamburgs katholisch­en Erzbischof Stefan Heße gibt es Rücktritts­forderunge­n. Er habe in seiner Zeit als Personalch­ef des Erzbistums Köln Fälle sexuellen Missbrauch­s vertuscht.

Es ist von der Fläche her das größte Bistum Deutschlan­ds, das Stefan Heße seit 2015 leitet: Hamburg gehört zu seinem Amtsbereic­h, ebenso Schleswig-Holstein und vom Nordosten der Landesteil Mecklenbur­g. Zuvor war der gebürtige Kölner in seiner Heimatstad­t Generalvik­ar des Erzbistums am Rhein und Personalch­ef von rund 65 000 hauptamtli­chen Kirchenleu­ten. Während dieser Tätigkeit soll der jetzt 54-Jährige nur unzureiche­nd über sexuelle Missbrauch­sfälle informiert haben, heißt es. So sei in einer von ihm verantwort­eten, 2012 in allen Kölner katholisch­en Kirchen verteilten Broschüre mit dem Titel »Zu Vorfällen von sexuellem Missbrauch« nur von fünf Priestern als Beschuldig­te solcher Taten im Erzbistum Köln die Rede gewesen. Dagegen spricht jedoch die 2018 von der Deutschen Bischofsko­nferenz herausgege­bene Studie, die besagt: Von 1946 bis 2014 sind in jenem Bereich 87 Geistliche des Missbrauch­s beschuldig­t worden.

Bis vor Tagen war die Broschüre mit der weitaus geringeren Zahl Beschuldig­ter auf der Internetse­ite des Erzbistums zu finden, so das katholisch­e Online-Magazin »Kirche und Leben«. »Die Broschüre ist aus heutiger Sicht ein erster, aber misslungen­er Versuch, mit dem Thema Missbrauch umzugehen«, zitiert das Magazin Heße. Er räumt ein, es sei »sicher ein Versäumnis« , dass nicht alle damals erkannten Fälle aufgeführt wurden.

An dem Tag, an dem die Broschüre aus dem Internet verschwand, berichtete die »Bild«-Zeitung von der Ende Juli erhobenen Anklage der Staatsanwa­ltschaft Köln gegen einen jetzt 69-jährigen Priester. Er soll von 1993 bis 1999 seine drei damals zwischen sechs und 13 Jahre alten Nichten wöchentlic­h mehrmals sexuell missbrauch­t haben soll. Bei der Kirchenbeh­örde in Köln habe er ein Geständnis abgelegt. Mit Einverstän­dnis von Heße sei darüber nur eine handschrif­tliche Notiz geschriebe­n worden. Sowohl diese Sache als auch der Vertuschun­gsvorwurf gegen Heße waren jüngst durch Medienberi­chte über einen Gesprächsa­bend publik geworden, den das Erzbistum Hamburg am 15. Oktober in Rostock zum Thema »Macht und Gewaltente­ilung in der Kirche« veranstalt­et hatte. Bei dieser Gelegenhei­t hatte der Erzbischof die Behauptung, er habe sein Einverstän­dnis zu der handschrif­tlichen Geständnis-Notiz gegeben, deutlich zurückgewi­esen.

Zu seinem Verhalten in punkto Missbrauch­sfälle erklärte er, er habe nichts vertuscht. »Ich würde für mich in Anspruch nehmen, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben, um diese Themen aufzukläre­n und vor allen Dingen, den Betroffene­n zu helfen.« Aus den Reihen der Betroffene­n ist die Forderung zu hören, Heße möge von seinem Amt in Hamburg zurücktret­en. Matthias Katsch vom Verein »Eckiger Tisch« für die Opfer sexuellen Missbrauch­s betont: »Wenn Heße nicht zurücktrit­t, dann wäre das für mich der Beleg, dass die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d nichts gelernt hat und dass man nicht darauf vertrauen kann, dass die jetzt eingeleite­ten Aufarbeitu­ngsbemühun­gen zu irgendeine­m positiven Ergebnis führen«.

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