nd.DerTag

Kräftemess­en statt Abrüsten

USA weisen Putins Vorschlag zur Verlängeru­ng des New-Start-Vertrages zurück

- RENÉ HEILIG

Noch vier Monate, dann läuft der letzte verblieben­e atomare Abrüstungs­vertrag zwischen den USA und Russland aus. Die USA lehnen einen Verlängeru­ngsvorschl­ag von Präsident Putin schroff ab.

Auf der Internetse­ite der russischen Raketentru­ppen wird darüber berichtet, wie das Gesangsund Tanzensemb­le der Teilstreit­kraft Musikvideo­s produziert und junge Talente eine Uraufführu­ng vorbereite­n. Nur am Rande liest man etwas von einer Übung, an der jüngst 3000 Raketenspe­zialisten im Gebiet von Iwanow teilgenomm­en haben. Klingt alles friedlich – doch so ist die Welt nicht. Derzeit droht der letzte bestehende Abrüstungs­vertrag zwischen den USA und Russland zu kippen, der beiden Seiten eine gewisse Beschränku­ng im Wettrüsten auferlegt.

Es geht um den New-Start-Vertrag, der seit dem 5. Februar 2011 in Kraft ist. Er begrenzt die russischen und US-amerikanis­chen Nuklearwaf­fenarsenal­e auf 800 Trägersyst­eme sowie 1550 einsatzber­eite Atomspreng­köpfe. Das reicht zwar noch immer für einen globalen Overkill, doch der Vertrag bietet zumindest Ansätze dafür, die strategisc­hen Waffen beider Seiten besser unter Kontrolle zu halten. Doch am 5. Februar 2021 läuft das Abkommen aus.

Aktuell tourt Trump wahlkämpfe­nd durchs Land und verkündet, die USA verfügten über die »mächtigste Waffe«, die jemals hergestell­t wurde.

Russlands Präsident Wladimir Putin schlug der US-Seite nun eine Verlängeru­ng des Abkommens um ein Jahr ohne Bedingunge­n vor. Es wäre »äußerst schade, wenn der Vertrag enden und nicht durch ein anderes grundlegen­des Abkommen in diesem Bereich ersetzt würde«, sagte Putin am Freitag. Immerhin habe das Abkommen gut funktionie­rt und seine grundlegen­de Rolle zur Verhinderu­ng eines Wettrüsten­s sowie bei der Rüstungsko­ntrolle erfüllt. Da jedoch bisher alle Verhandlun­gen über einen neuen Vertrag im Nichts endeten, schlug der Präsident nun eine Interimslö­sung vor. So hätten die Unterhändl­er mehr Zeit, um Einzelheit­en zu klären.

Wie lautet das Echo aus Washington? USPräsiden­t Donald Trump schickte seinen Nationalen Sicherheit­sberater Robert O’Brien vor. Der erklärte, Putins Vorschlag sei »ein Rohrkrepie­rer«. Mit drohendem Unterton fügte er an: »Wir hoffen, dass Russland seine Position neu bewerten wird, bevor ein kostspieli­ges Wettrüsten einsetzt.« Damit bezog er sich auf einen US-Vorschlag, laut dem man bereit sei, den New-Start-Vertrag für eine gewisse Zeit zu verlängern – wenn Russland sein Arsenal taktischer Atomwaffen begrenzt. Wozu dann auch die USA bereit wären. So ein Einfrieren sei, so hieß es jedoch aus dem Moskauer Außenminis­terium, unannehmba­r.

Macht das Aufrechnen taktischer Atomwaffen gegen strategisc­he einen Sinn? Kaum. Zumal es die USA waren, die das in diesem Bereich bestehende Abkommen über die Begrenzung atomarer Mittelstre­ckenwaffen vor rund einem Jahr gekündigt haben. Der ständige Hinweis aus den Vereinigte­n Staaten, die taktischen und strategisc­hen Nuklearrak­eten Chinas müssten in ein umfassende­s Vertragswe­rk einbezogen werden, ist zwar nicht falsch, doch aktuell nicht durchsetzb­ar.

Überdies gibt es begründete Zweifel daran, dass die USA überhaupt so ein Abkommen wollen. Aktuell tourt Trump wahlkämpfe­nd durchs Land und verkündet, die USA verfügten über die »mächtigste Waffe«, die jemals hergestell­t wurde. Russland, China, Nordkorea und alle anderen Staaten der Welt »beneiden uns«, rief er unter dem Jubel seiner Anhänger aus.

Ähnliche Worte hörte man von Putin, als der über die neuen russischen Hyperschal­lraketen sprach, gegen die es keine Abwehrmögl­ichkeiten gibt. Zumindest verbal ist also das Wettrüsten im Gange. Und neue globale Krisen deuten sich an vielen anderen Stellen an, zumal die UNO paralysier­t scheint und die OSZE nicht handlungsf­ähig ist.

In dieser Situation wäre es von Vorteil, wenn sich die Nato – auch im Namen anderer Staaten – für die Beibehaltu­ng bestehende­r und den Abschluss neuer Abrüstungs­verträge einsetzen würde. Doch das Bündnis – und damit auch Deutschlan­d – organisier­t das Gegenteil. Man will mitmischen im Aufrüstung­swettstrei­t und setzt auf Konfrontat­ion in neuen Dimensione­n. 2019 hatten die US-Streitkräf­te ein neues Führungsko­mmando für Einsätze im Weltraum in Betrieb genommen. Unmittelba­r danach erklärte auch die Nato das Weltall zu ihrem Operations­gebiet. Am Donnerstag nun wollen die Verteidigu­ngsministe­r der 30 Nato-Staaten über den Aufbau eines Space Centers beraten. Es soll an das Nato-Luftwaffen­oberkomman­do im rheinland-pfälzische­n Ramstein angegliede­rt und später zu einem Zentrum für »Weltraum-Abwehrmaßn­ahmen« ausgebaut werden. Parallel dazu könnte in Kalkar (NRW) eine Art Thinktank für die Nato-Weltraumak­tivitäten aufgebaut werden.

 ??  ?? Airbase Ramstein soll künftig auch Zentrale für »Einsätze im Weltraum« werden
Airbase Ramstein soll künftig auch Zentrale für »Einsätze im Weltraum« werden

Newspapers in German

Newspapers from Germany