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Klima: Keine Rolle rückwärts zulassen!

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Corona hat die Erderwärmu­ng auf der politische­n Prioritäte­nliste nach unten rücken lassen, kritisiert Alexander Ulrich

Die Corona-Pandemie hat die Klimakrise aus der öffentlich­en Debatte verdrängt. Dabei sind die beiden Phänomene eng miteinande­r verknüpft: Seit Jahrzehnte­n kommt es immer häufiger zu Übertragun­gen infektiöse­r Viren von Wildtieren auf den Menschen. Es besteht kein Zweifel, dass eine der wichtigste­n Ursachen für diese Entwicklun­g die Entwaldung des Planeten ist, da den Tieren dadurch ihre natürliche­n Lebensräum­e genommen werden und sie immer häufiger mit Menschen in Kontakt kommen. Die Entwaldung wiederum ist auch einer der zentralen Faktoren der Erderwärmu­ng. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie eng die Klimakrise und die CoronaPand­emie miteinande­r verwoben sind.

Doch nicht nur in der Entstehung hängen die beiden Menschheit­sprobleme eng zusammen, sondern auch bezüglich der Möglichkei­ten gegenzuste­uern. Die Klimakrise wird oft als ein Problem der Zukunft betrachtet, entspreche­nd setzen sich die Regierunge­n gern Fernziele, etwa für 2030 oder 2050. In der Gegenwart passiert stets wenig. Die Corona-Pandemie hingegen kam plötzlich und wird als Gegenwarts­problem wahrgenomm­en. Die Politik reagiert daher im Hier und Jetzt. Dabei gibt es vieles an der Krisenpoli­tik der Bundesregi­erung und der EU zu kritisiere­n. Was sich aber klar zeigt: Noch immer sind wir als Gesellscha­ft in der Lage, auf große Probleme schnell mit großen Antworten zu reagieren. Wer hätte vor einem Jahr etwa geglaubt, dass die EU-Staaten gemeinsame Schulden aufnehmen würden, die Staaten massiv Unternehme­nsanteile kaufen und sogar in Deutschlan­d »schwarze Null« und Schuldenbr­emse fast über Nacht außer Kraft gesetzt werden können? Wenn so weitreiche­nde Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergriffen werden, dann muss das auch im Kampf gegen die letztlich wesentlich bedrohlich­ere Klimakrise möglich sein. Die Zeit der Ausreden ist vorbei!

Doch Corona hat die Erderwärmu­ng nicht nur aus der öffentlich­en Debatte verdrängt. Auch auf der politische­n Prioritäte­nliste rückt sie weit nach unten. Das Argument: Jetzt muss so viel Geld ausgegeben werden, um die wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie zu begrenzen, da müssen die Klimaschut­zinvestiti­onen eben warten. So ein Quatsch! Die Investitio­nen zur Stützung der Wirtschaft müssen genutzt werden, den längst überfällig­en sozial-ökologisch­en Umbau der europäisch­en Wirtschaft voranzutre­iben!

Es ist daher vollkommen unverständ­lich, warum die EU-Institutio­nen nun ihren eigenen »Green Deal« gerade dort aufweichen, wo Zukunftsin­vestitione­n ermöglicht würden – nämlich beim »Just Transition Fonds«, mit dem besonders hart von den Umbrüchen betroffene Regionen gestützt werden sollen. So wurden die ursprüngli­ch vorgesehen­en Mittel für diesen Fonds zuletzt von ohnehin knapp bemessenen 40 Milliarden auf 17,5 Milliarden Euro mehr als halbiert – und zwar unter deutscher EU-Ratspräsid­entschaft. Die Bundesregi­erung trägt für die klimapolit­ische Rückwärtsr­olle der Staatengem­einschaft daher eine zentrale Verantwort­ung.

Dass ausgerechn­et beim »Just Transition Fonds« gekürzt wird, stellt den gesamten ökologisch­en Umbau infrage. Dieser kann nur gelingen, wenn er sozial ausgewogen über die Bühne geht. Andernfall­s wird die Klimapolit­ik auf enorme Widerständ­e stoßen, blockiert werden und auf der politische­n Ebene viele Verlierer in die Arme rechter Rattenfäng­er treiben. Die deutsche Ratspräsid­entschaft muss daher dringend den Kurs ändern und dafür sorgen, dass die gegenwärti­gen Investitio­nen vor allem in den sozial-ökologisch­en Umbau fließen und die strukturel­len Veränderun­gen mit großem Augenmerk auf das Soziale konzipiert werden.

Die Mittel des Fonds müssen unbedingt wieder auf mindestens 40 Milliarden Euro aufgestock­t werden – die aus dem gemeinsame­n EU-Haushalt zu stemmen sind und nicht aus dem Wiederaufb­aufonds oder durch sonstige Taschenspi­elertricks, bei denen die Gelder nur von einem Topf in den anderen gebucht werden, ohne dass sich viel ändert. Darüber hinaus muss unbedingt das so genannte Partnersch­aftsprinzi­p gewahrt werden: Gewerkscha­ften, Beschäftig­te, Umweltverb­ände und andere Interessen­sgruppen vor Ort müssen eng in die Planungen für einen gerechten Übergang eingebunde­n werden. Anders wird dieser nicht funktionie­ren.

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FOTO: DIE LINKE Alexander Ulrich ist Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Linken im Bundestag

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