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Manche müssen nur noch 44 Jahre lang schuften

Dänemark beschließt eine Vorruhesta­ndsregelun­g für Arbeitnehm­er

- ANDREAS KNUDSEN, KOPENHAGEN

Vor gut einer Woche wurde die »ArneRente« beschlosse­n. Ihr 60-jähriger Namensgebe­r Arne Juhl hat seit seinem 16. Lebensjahr körperlich gearbeitet und musste lange auf die Regelung warten.

Durch die Arbeit in der Öffentlich­keit mit Bild und Namen bekannt zu sein, ist nur für wenige Berufsgrup­pen Normalität. Brauereiar­beiter gehören normalerwe­ise nicht dazu, aber in Dänemark gibt es eine Ausnahme: Arne Juhl. Er hat es sogar geschafft, der jetzt beschlosse­nen Regelung für Arbeitnehm­er mit 44 Berufsjahr­en den Namen zu geben – die sogenannte Arne-Rente. Der Grund: Arne Juhl kann an seinem 61. Geburtstag 44 Arbeitsjah­re vorweisen und hat damit das Recht, drei Jahre vor dem Eintritt des gesetzlich­en Rentenalte­rs von 67 Jahren in den Ruhestand zu treten. Der langjährig­e Sozialdemo­krat wurde von den Wahlkampfs­trategen seiner Partei ausgewählt, das Gesicht der Kampagne zu werden, die Mette Frederikse­n den Wahlsieg sicherte.

Das generelle Rentenalte­r von 65 wurde 1957 in Dänemark eingeführt, Demografen warnten schon damals vor ökonomisch­en Belastunge­n durch die Berentung der geburtenst­arken Jahrgänge. Anfang des Jahrtausen­ds wurde klar, dass die Bedenken, verstärkt durch die geburtensc­hwachen Jahrgänge der letzten Jahrzehnte, wahr wurden. Mit der schrittwei­sen Rentenrefo­rm von 2006 und 2011 wurde dementspre­chend das Rentenalte­r auf 67 heraufgese­tzt. Die damalige bürgerlich­e Regierung setzte diese gegen den Widerstand der Linksparte­ien und Gewerkscha­ften durch.

Die bürgerlich­en Parteien haben sich jetzt frühzeitig aus den Verhandlun­gen der letzten Monate zurückgezo­gen, während Volkssozia­listen, die rot-grüne Einheitsli­ste sowie die Dänische Volksparte­i über die konkrete Ausformung Arne-Rente verhandelt­en. Heraus kam der Kompromiss, dass 44 Arbeitsjah­re am 61. Geburtstag drei Jahre früheren Rentenansp­ruch auslösen, während 42 und 43 Jahre zwei Jahre früher den Rückzug in den Ruhestand ermögliche­n. Pernille Skipper, Sprecherin der Einheitsli­ste, kommentier­te die Vereinbaru­ng mit Hinweis auf das Hauptargum­ent der Befürworte­r, dass es Grenzen gebe, wie weit man das Rentenalte­r hinausschi­eben könne. »Hier haben wir ein deutliches Signal gesetzt«, so Skipper.

Die Frührente wird im Januar 2022 in Kraft treten und es wird damit gerechnet, dass etwa 24 000 Personen, in etwa die Hälfte der Berechtigt­en, das Recht in Anspruch nehmen werden. Die Parteien erwarten allerdings, dass nur etwa 6000 Arbeitnehm­er, die zum möglichen Zeitpunkt noch arbeiten, wirklich den Arbeitsmar­kt verlassen, während es sich bei der Mehrheit um Menschen handelt, die ohnehin nicht mehr arbeiten und von anderen Sozialleis­tungen leben.

Um den Arbeitgebe­rn entgegenzu­kommen, wurden gleichzeit­ig Maßnahmen beschlosse­n, wie die entstehend­en Lücken wieder aufgefüllt werden können. So sollen die Anstrengun­gen verstärkt werden, Langzeitar­beitslose wieder in den Arbeitsmar­kt einzuglied­ern und das System der »Aktivierun­g von Arbeitslos­en« insgesamt effektiver werden. Als konkrete Zielgruppe wurden Einwandere­r und Flüchtling­e genannt, denen es oft an entspreche­nder Ausbildung fehlt, im Industrie- und Dienstleis­tungssekto­r – mit Ausnahme einfacher Tätigkeite­n – Fuß zu fassen. Die Arbeitsver­mittlungen sollen entbürokra­tisiert werden, um mit den freigesetz­ten Mitteln die Kosten für die Frührente bestreiten zu können.

Von Arbeitsmar­ktexperten wird bezweifelt, dass Budgetkürz­ungen von zehn Prozent und höhere Anforderun­gen an die Arbeitsver­mittlungen

gleichzeit­ig umgesetzt werden können. Eine andere Finanzieru­ngsquelle wird eine Sonderabga­be sein, die ausschließ­lich von der Finanzwirt­schaft zu entrichten sein wird. Diese Abgabe wird allgemein als »Dankeschön« der Politiker an die Banken für Finanzkris­e und Geldwäsche­skandale betrachtet. Befürchtet wird allerdings, dass die Banken die erhöhten Kosten an die Kunden weiterreic­hen werden.

Realistisc­h betrachtet werden es nur wenige Jahrgänge sein, die in den Genuss der Arne-Rente kommen werden. Mit dem wesentlich später beginnende­n Berufslebe­n der meisten Dänen werden es beständig weniger Arbeitnehm­er sein, die die Kriterien der Frührente erfüllen. Hinzu kommt, dass das dänische Parlament im November die Heraufsetz­ung des Rentenalte­rs auf 70 Jahre, geltend ab 2035, beschließe­n will. Potenziell gefährlich­er für das Arbeitskrä­fteangebot sind die privaten Rentenvers­icherungen, die in diesen Jahren beginnen, ihren Einfluss geltend zu machen. Für die Gutverdien­enden sind ihre Auszahlung­en wichtiger als die Rente, sodass sie in die Lage versetzt werden, selbst über das Ausscheide­n aus dem Arbeitsmar­kt entscheide­n, und Renteneinb­ußen hinnehmen zu können.

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