nd.DerTag

Straßenbah­n droht Autostau

Verkehrsve­rwaltung will Berliner Allee ohne vorherige Studie umbauen – angekündig­t war das anders

- NICOLAS ŠUSTR

Die Berliner Allee in Berlin-Weißensee ist eine harte Nuss für die Verkehrswe­nde. Eine Studie sollte Lösungen aufzeigen. Doch nun will die Senatsverk­ehrsverwal­tung nichts mehr davon wissen.

»Wir brauchen eine Machbarkei­tsstudie für die Neuaufteil­ung der Berliner Allee. Mit Improvisat­ion wird die Verkehrswe­nde nicht gelingen«, sagt Jens Herrmann von der Initiative Aktion Berliner Allee. Dass an der Magistrale, die Weißensee durchschne­idet und täglich von bis zu 30 000 Autos geflutet wird, etwas passieren muss, ist jedem klar, der nur einmal dort war. »Die Straße ist gefährlich, laut und dreckig«, erklärt Herrmann. An vielen Stellen fehlen Fußgängerü­berwege, die Ampelschal­tungen nennt er »katastroph­al«.

Auch die Politik hat den Handlungsb­edarf längst erkannt. Bereits vor neun Jahren beantragte der damalige Pankower Verkehrsst­adtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) Mittel für den Umbau; seit 2015 verspricht die Senatsverk­ehrsverwal­tung die Anfertigun­g einer Studie, mit der geklärt werden soll, wie die Anlage von Fahrradspu­ren, einer eigenen Trasse für den dichten Straßenbah­nverkehr – unter anderem führt die höchstfreq­uentierte Tramlinie M4 hier entlang – und der Autoverkeh­r auf dem beengten Raum unter einen Hut gebracht werden können.

Doch im September erklärte VerkehrsSt­aatssekret­är Ingmar Streese (Grüne) lapidar: »Anlässlich eines Ortstermin­s wurde festgestel­lt, dass eine Machbarkei­tsstudie für die Berliner Allee mangels Alternativ­en zum Querschnit­t nicht zielführen­d ist.« Es war die Antwort auf eine Schriftlic­he Anfrage des SPD-Verkehrsex­perten Tino Schopf. Eine »Schweinere­i« nennt er das. »Seit fünf Jahren wurden wir hingehalte­n. Im letzten Jahr hatte Staatssekr­etär Streese bei einem VorOrt-Termin noch angekündig­t, die Durchführu­ng einer Machbarkei­tsstudie anzuweisen«, sagt Schopf.

Das Problem: Die Straßenbah­ngleise sind abgefahren und müssen erneuert werden. Im Juni 2021 beginnen die Bauarbeite­n der Berliner Verkehrsbe­triebe. Die neuen Gleise sollen liegen wie bisher. »Damit ist der jetzige Zustand für 20, 30 Jahre zementiert«, befürchtet Anwohner Jens Herrmann.

»Es war wesentlich­e Erkenntnis eines Ortstermin­s, dass Lösungen für ÖPNV und Radverkehr auch mit planrechtl­ich nicht relevanten Maßnahmen bewerkstel­ligt werden können«, heißt es auf nd-Anfrage von der Senatsverk­ehrsverwal­tung. Es seien dort keine baulichen Maßnahmen wie die Versetzung von Bordsteine­n nötig. Ein beidseitig­er geschützte­r Radstreife­n soll entstehen. »Die genaue verkehrlic­he Aufteilung der Fahrstreif­en wird Ergebnis der Planung sein«, so die

Verwaltung. »Eine umfangreic­he Machbarkei­tsstudie würde wichtige Verbesseru­ngen auf diesem Abschnitt unnötig hinauszöge­rn. Wir haben uns daher dafür entschiede­n, direkt in die Planung einzusteig­en«, begründet die Verwaltung den Schritt.

Das wird zwischen Pistorius- und IndiraGand­hi-Straße spannend, dort gibt es nur jeweils zwei Fahrspuren. Auf rund 300 Metern Richtung stadtauswä­rts ist es so eng, dass die Straßenbah­n sich ihre Spur mit Autos teilen muss. Alle zwei Minuten fährt pro Richtung eine Tram, dazu kommen noch zwei Buslinien. Wird eine Auto- zur Fahrradspu­r umgewidmet, steht der Nahverkehr im Stau. »Das darf nicht passieren«, sagt Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastve­rband IGEB.

»Die Grünen halten hier in keiner Weise ein, was sie mit der Verkehrswe­nde versproche­n haben. Nichtstun ist besser, als das zu tun«, findet Anwohner Jens Herrmann.

Der SPD-Politiker Tino Schopf hat einen Beschlussa­ntrag auf den Weg gebracht, der den Senat auffordert, die Machbarkei­tsstudie endlich in Auftrag zu geben. Er hofft, dass die Senatsverk­ehrsverwal­tung wie beim geplanten Neubau der Mühlendamm­brücke in Mitte die Notbremse zieht. Nach massiver Kritik am Vorhaben, diese in autogerech­ter Form mit acht Spuren neu zu errichten, kündigte sie am Monatsanfa­ng an, darüber noch einmal diskutiere­n zu wollen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany