nd.DerTag

Bahn-Stress für Platzeck

Zwischen der Bahn und der GDL kommt es zur Schlichtun­g

- RAINER BALCEROWIA­K

Die Lokführerg­ewerkschaf­t GDL will bisher nicht mit der Bahn über einen Sanierungs­tarifvertr­ag verhandeln. Dabei steht auch für sie viel auf dem Spiel.

Diesen Donnerstag beginnt das Schlichtun­gsverfahre­n zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführerg­ewerkschaf­t GDL. Eingeleite­t wurde es vom Konzern, der sich auf einen 2015 geschlosse­n Grundsatzv­ertrag berufen kann. Demnach kann eine obligatori­sche Schlichtun­g einseitig verlangt werden, wenn auf dem Verhandlun­gsweg keine Einigung bei strittigen Themen erzielt wird. Im Gegenzug erhielt die GDL die Zusicherun­g, dass mit ihr geschlosse­ne Vereinbaru­ngen uneingesch­ränkt Gültigkeit haben und das Tarifeinhe­itsgesetz keine Anwendung findet. Für das Verfahren einigten sich die Kontrahent­en auf den früheren brandenbur­gischen Ministerpr­äsidenten Matthias Platzeck als Schlichter. Platzeck gilt als ausgewiese­ner Kenner der komplizier­ten tarifpolit­ischen Situation bei der Bahn und übte dieses Amt bereits 2015 und 2019 aus. Während der für drei Wochen angesetzte­n Schlichtun­g besteht für die GDL Friedenspf­licht.

Die Fronten sind ziemlich verhärtet. Die GDL weigert sich bislang, über einen Sanierungs­tarifvertr­ag für das hoch verschulde­te Staatsunte­rnehmen zu verhandeln, der auch einen »Solidarbei­trag« von den Angestellt­en beinhaltet. »Wenn es um eine echte Sanierung der Bahn ginge, wären wir auch bereit, unseren Beitrag zu leisten. Aber nur für etwas, was sanierungs­fähig ist. Doch hier geht es um jahrzehnte­langes Versagen des Management­s«, erklärte GDL-Chef Claus Weselsky vor einigen Tagen. 1994 sei die Bahn im Zuge der Bahnreform komplett entschulde­t worden. »Seitdem wurden unglaublic­he Summen im Ausland verzockt, mit Übernahmen, Beteiligun­gen und Unternehme­nsgründung­en, die nichts, aber auch gar nichts mit der Eisenbahn zu tun haben«, so Weselsky. Solange Steuergeld­er auf diese Weise versenkt würden, sei die GDL nicht bereit, einen angebliche­n Solidarbei­trag zu leisten. Die konkurrier­ende, zum DGB gehörende Eisenbahng­ewerkschaf­t EVG hatte sich hingegen Mitte September mit der Konzernfüh­rung auf einen ab März 2021 geltenden Sanierungs­tarifvertr­ag geeinigt, der bei einer Laufzeit von 24 Monaten lediglich eine Lohnerhöhu­ng um 1,5 Prozent ab Januar 2022 vorsieht und im Gegenzug betriebsbe­dingte Kündigunge­n ausschließ­t. Weitere Forderunge­n, etwa zu verbessert­er Wegegeldbe­zahlung und Arbeitszei­tregelunge­n wurden fallengela­ssen.

Die GDL lehnt die Übernahme dieser Vereinbaru­ng kategorisc­h ab. »Die Führungskr­äfte leisten keinen eigenen Beitrag, sind sich aber nicht zu schade, die Mitarbeite­r des direkten Personals in Regress für das eigene Versagen nicht nur in der Corona-Zeit zu nehmen. Das ist unanständi­g und eines großen Arbeitgebe­rs unwürdig«, kommentier­te Weselsky am 8. Oktober den Abschluss. Die GDL verlangt stattdesse­n reguläre Tarifverha­ndlungen zum Ende des geltenden Tarifvertr­ages im Februar 2021. Dabei werde es vor allem um Lohnerhöhu­ngen und Schichtzul­agen sowie wirksame Regelungen zur Reduzierun­g der Arbeitsbel­astung gehen, so eine GDL-Sprecherin auf nd-Nachfrage.

Allerdings ist zu erwarten, dass auch der Konflikt um die Tariffähig­keit der GDL erneut aufbricht. Denn der Grundsatzv­ertrag, der diese im Kern garantiert, läuft ebenfalls aus. Wird dieser nicht verlängert oder neu ausgehande­lt, könnte die Bahn auf das Tarifeinhe­itsgesetz pochen, mit dem unterschie­dliche Tarifvertr­äge innerhalb eines Unternehme­ns ausgeschlo­ssen werden sollen. Die Tarifhohei­t fiele dann der mitglieder­stärksten Gewerkscha­ft zu. Das ist im Konzern die EVG. Und Weselsky betont, dass sich die GDL stets zu wehren gewusst habe, »wenn sie in ihrer Existenz bedroht wird«. Zumal vollkommen unklar ist, wie die jeweiligen Mitglieder­zahlen in den einzelnen Bereichen des verschacht­elten Konzerns überhaupt rechtssich­er erhoben werden könnten. Für den Schlichter Platzeck dürften das jedenfalls drei sehr anstrengen­de Wochen werden.

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