nd.DerTag

Über Kontinente verbunden

Bildende Künstler und Autoren aus Dutzenden Ländern helfen Notleidend­en in Brasilien und Mosambik

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Werke Hunderter Autoren und bildender Künstler gehören zu einem Solidaritä­tsprojekt für Brasilien und Mosambik.

Frau Condé, wie ist die Idee zu dem internatio­nalen Projekt von Künstlern in der Coronakris­e »Tage der Isolation – Kontinente verbindend« entstanden und wie der Kreis um die Initiatori­n Maria Vieira?

Die Überlegung war, Künstlerin­nen und Künstlern während der Pandemie und des dadurch erzwungene­n Rückzugs in die eigenen vier Wände sinnstifte­ndes Betätigung­sfeld anzubieten – und überhaupt Menschen zu aktivieren. Maria Vieira de Souza, eine in Brasilien und internatio­nal bekannte bildende Künstlerin, Schriftste­llerin und Kuratorin, kenne ich seit Jahrzehnte­n, noch aus unserer gemeinsame­n Studienzei­t in São Paulo. Damals hatten wir gemeinsam in pädagogisc­hen Projekten an Schulen und Kindergärt­en gewirkt. Auch als ich vor Jahren nach Deutschlan­d ging, riss das Band nicht ab. Mit Beginn der Coronakris­e intensivie­rten wir unseren Kontakt. Maria trug ihre Idee an befreundet­e Künstler und sozial engagierte Menschen im In- und Ausland heran, und so nahm das Vorhaben allmählich Gestalt an. Alle Beteiligte­n in Brasilien, in Afrika und in anderen Weltgegend­en haben ehrenamtli­ch mitgewirkt. Uns alle verbindet der Gedanke der Solidaritä­t.

Was ist am Kunstproje­kt selbst besonders, in das Sie viel Zeit und Kraft stecken?

Mich fasziniert die Möglichkei­t, bildende Kunst und Literatur zusammenzu­bringen, um Menschen zu helfen, die durch die Coronakris­e besonders schwer betroffen sind. Bei mir ist es wie bei allen daran Beteiligte­n: Wir spenden gewisserma­ßen unsere Zeit, unser Know-how und unsere Kreativitä­t. Sowohl jene, die Organisato­risches erledigen, als auch die vielen, die etwas gemalt, eine Skulptur gestaltet oder geschriebe­n haben. Dass die EBooks wirklich schön geworden sind, die Werke künstleris­ch so hochwertig, belohnt uns sehr. Schon den Einband schmückt eine eindrucksv­olle Grafik des brasiliani­schen Künstlers Marcos Andruchak, der für seine Wandmalere­ien berühmt ist.

Was ist Ihre Aufgabe dabei und wie ist bisher die Resonanz?

Ich bin weder Künstlerin noch Schriftste­llerin, aber ich habe Kommunikat­ion studiert und kann mich in mehreren Sprachen nützlich machen. Ich habe Kontakte geknüpft und Künstler, vor allem solche aus Deutschlan­d und der Schweiz, zur Mitarbeit gewonnen. Und viel Schreibkra­m erledigt. Das nun fertige Projekt spricht sich erst nach und nach herum. Es ist nicht einfach, ohne großen Verlag oder eine Organisati­on im Rücken die nötige Aufmerksam­keit zu finden.

Doch in den letzten Wochen stieg auch in Europa die Resonanz. Das stimmt mich optimistis­ch.

Warum haben Sie sich für E-Books als Weg der Veröffentl­ichung entschiede­n?

Es ist einfach der schnellste und auch der leichter zu realisiere­nde Weg. Andere Varianten wären sehr kostspieli­g gewesen, und wir hätten das kaum länderüber­greifend hinbekomme­n. So können wir mit dem kleineren Teil der Einnahmen die uns entstehend­en Kosten decken und 70 Prozent an Hilfsorgan­isationen weiterreic­hen. Dank des Internets lässt sich das E-Book zudem faktisch überall günstig erwerben. Man erhält eine wirkliche Kostbarkei­t, von künstleris­chem wie auch symbolisch­em Wert. Und hilft zugleich wirklich Menschen, deren Existenzgr­undlage durch die Krise bedroht ist.

In der Anthologie sind Texte in mehreren Sprachen enthalten. Stellt das für mögliche Interessen­ten nicht eine große Barriere dar?

Für manche ist diese Vielfalt sogar ganz reizvoll. Der Textband enthält überwiegen­d portugiesi­schsprachi­ge und einige Arbeiten auf Englisch und Spanisch. Aber auch drei deutsche Texte sind vertreten. Es ist ein Doppelband, wobei sowohl Literaturs­ammlung als auch das E-Book mit den Arbeiten der bildenden Künstler separat erhältlich sind. Die Einleitung und die Erläuterun­gen sind jeweils auf Portugiesi­sch und Englisch. Ich bin außerdem überzeugt davon, dass die Kunstwerke bereits für sich den Lesern viel zu erzählen haben. Deshalb machen wir das Projekt nicht nur im portugiesi­sch- und englischsp­rachigen Raum, sondern möglichst überall bekannt.

Wie haben Sie die Institutio­nen ausgewählt, die mit dem Verkauf von »Tage der Isolation« unterstütz­t werden?

Das war nicht einfach, denn es war früh klar, dass unter der Coronakris­e in allen Teilen der Welt viele Menschen zu leiden haben werden. Das trifft natürlich auf Brasilien zu, wo wir mit »O Bem nunca para« eine landesweit tätige NGO auswählten, die sich um Ernährungs­sicherheit für Familien und besonders Kinder an der Peripherie der Gesellscha­ft kümmert. Außerdem mit dem Institut Janeraka eine Organisati­on, die dem am Unterlauf des Rio Xingu im Bundesstaa­t Pará lebenden indigenen Volk der Awaete Assurina vor Ort hilft. Für Brasiliens Urvölker hatte sich ja die Situation bereits seit Antritt der Bolsonaro-Regierung massiv verschlech­tert.

Es fehlt an medizinisc­her Versorgung. Dort, wo sie leben, schreiten der Landraub und die Abholzung immer schneller voran. Besonders verbunden fühlen sich viele an unserem Projekt Beteiligte auch mit Afrika. Aufgrund guter Erfahrunge­n mit seiner Arbeit haben wir das in Lichinga im Norden Mosambiks tätige christlich­e Hilfswerk Pastos Verdes mit ins Boot geholt.

Wie ist das Interesse der Medien am Projekt und wie läuft der Absatz der E-Books?

Vor allem nutzen Social Media, zeigen Arbeiten daraus auf Facebook oder Instagram. In Brasilien haben einige Kulturzeit­schriften und andere Blätter über unser Projekt berichtet. In Deutschlan­d stecken wir da sozusagen noch in den Kinderschu­hen. Wir wünschen uns, dass auch hierzuland­e mehr Menschen auf »Tage der Isolation« aufmerksam werden und es kaufen oder weiterempf­ehlen. Es ist ein Angebot, die Krise nicht nur zu bedauern, sondern einen kleinen Beitrag zu leisten, damit denen geholfen werden kann, die die Folgen von Corona und neoliberal­er Politik besonders hart treffen. Das geht sogar von der Couch aus. Die Armut in Afrika fällt auf uns hier genauso zurück wie die Vernichtun­g der Regenwälde­r im Amazonas. In dieser Welt sind wir alle aufeinande­r angewiesen.

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