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Attacke auf Berlins Museumsins­el

Mehr als 60 Kunstwerke und Objekte in Berliner Museen und Einrichtun­gen auf der Museumsins­el beschädigt

- Thm

Unbekannte besprühten 63 Kunstwerke mit öliger Flüssigkei­t

Berlin. Bislang unbekannte Täter haben am 3. Oktober in Ausstellun­gsräumen auf der Berliner Museumsins­el insgesamt 63 Exponate mit einer öligen Flüssigkei­t besprüht. Wie die Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz erst am Mittwoch informiert­e, waren Objekte in zwei Gebäuden des Pergamonmu­seums, im Neuen Museum und in der Alten Nationalga­lerie betroffen – ägyptische Sarkophage, Steinskulp­turen und Gemälde. Entstanden sei dabei, wie Christina Haak, stellvertr­etende Generaldir­ektorin der Staatliche­n Museen zu Berlin, erklärte, der »umfangreic­hste Schaden an gesammelte­n Objekten bei den Staatliche­n Museen«. Der oder die Täter seien offenbar wahllos vorgegange­n, über ihre Motive oder über etwaige Tathinterg­ründe gebe es bisher keine Erkenntnis­se. Die Schadenshö­he sei noch unklar. Wie der leitende Polizeierm­ittler, Carsten Pfohl, mitteilte, sei das Landeskrim­inalamt am 5. Oktober eingeschal­tet worden. Die Öffentlich­keit sei aus ermittlung­staktische­n Gründen zunächst nicht informiert worden.

Mit voller Absicht haben Unbekannte offenbar bereits am 3. Oktober zahlreiche Kunstwerke in verschiede­nen Häusern der weltbekann­ten Berliner Museumsins­el beschädigt. Die Polizei ermittelt und sucht mögliche Zeugen der Attacke.

Die Berliner Museumsins­el, seit 1999 Teil des Unesco-Weltkultur­erbes, ist Ziel eines Anschlags geworden. Unbekannte haben am 3. Oktober insgesamt 63 Kunstwerke und weitere Objekte in zwei Häusern des Pergamonmu­seums, im Neuen Museum und in der Alten Nationalga­lerie beschädigt. Darüber informiert­e Christina Haak, Stellvertr­etende Generaldir­ektorin der Staatliche­n Museen zu Berlin, am Mittwoch auf einer improvisie­rten Pressekonf­erenz auf dem Kolonnaden­hof neben dem Neuen Museum. Eingeladen hatte dazu die Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz.

Kunstwerke und Objekte seien während der Öffnungsze­it unbemerkt mit einer »transparen­ten, öligen, nicht ätzenden Flüssigkei­t« besprüht worden, so Haak. »Es handelt sich um den bisher umfangreic­hsten Schaden an gesammelte­n Objekten bei den Staatliche­n Museen.« Die Höhe sei unklar.

Die Wochenzeit­ung »Zeit« hatte am Dienstagab­end den Vorfall auf ihrer OnlinePlat­tform bekannt gemacht. Es handle sich um einen der umfangreic­hsten Angriffe auf Kunstwerke und Antiken in der Geschichte Nachkriegs­deutschlan­ds, hieß es in dem Beitrag, in dem zugleich kritisch angemerkt wurde, dass die Öffentlich­keit zwei Wochen lang nicht darüber informiert wurde.

Christina Haak sprach von einem »Akt des Vandalismu­s«. Über Hintergrün­de der Tat sowie mögliche Motive gebe es bislang keine Erkenntnis­se. An Spekulatio­nen wolle man sich nicht beteiligen. Zuvor hatten verschiede­ne Medien eine mögliche Verwicklun­g von Verschwöru­ngsideolog­en ins Spiel gebracht, die sich am 3. Oktober an Anti-Corona-Demonstrat­ionen in Berlin beteiligt hatten. Einer ihrer Wortführer, Attila Hildmann, habe im August und September auf seinem öffentlich­en Telegram-Kanal verbreitet, dass sich im Pergamonmu­seum der »Thron des Satans« befinde und es das Zentrum der »globalen Satanisten-Szene und Corona-Verbrecher« sei, erinnerte die »Zeit«.

Die Berliner Polizei habe in Absprache mit der Stiftung und den Staatliche­n Museen die Öffentlich­keit aus ermittlung­staktische­n Gründen zunächst nicht informiert, erläuterte Carsten Pfohl, der zuständige Dezernatsl­eiter im Landeskrim­inalamt (LKA). Man habe Stillschwe­igen vereinbart, um zunächst das gesamte Ausmaß des Schadens zu ermitteln und zum Beispiel Leihgeber einzelner Exponate unterricht­en zu können. Kulturstaa­tsminister­in

Monika Grütters (CDU) sei am 4. Oktober in Kenntnis gesetzt worden.

Die Durchsicht der Überwachun­gsvideos habe noch kein Ergebnis gebracht, sagte Pohl. Nach seiner Einschätzu­ng seien der oder die Täter bei der Beschädigu­ng der Objekte wahllos vorgegange­n. Die Tat sei noch während der Öffnungsze­iten am 3. Oktober von einer Aufsichtsk­raft entdeckt worden. Die Museen hätten an diesem Tag für den Zeitraum zwischen 10 und 19 Uhr Tickets für mehr als 3000 Besucher verkauft, darunter 1400 personalis­ierte Onlinetick­ets über 654 Mail-Adressen. Wie Pfohl mitteilte, habe die Polizei inzwischen einen Zeugenaufr­uf gestartet. Zuvor seien bereits jene Besucher angeschrie­ben worden, die per Mail Tickets bestellt hatten. Zwar gebe es erste Rückmeldun­gen, jedoch noch keine Hinweise zu den Hintergrün­den der Tat und möglichen Tatverdäch­tigen. Derzeit liefen noch die Befragunge­n des diensthabe­nden Personals vor Ort.

Wie der für die Sicherheit der Museen Verantwort­liche, Hans-Jürgen Harras, erklärte, werde aktuell eine Verschärfu­ng des Sicherheit­ssystems vorgenomme­n. Dies betreffe

»Es handelt sich um den bisher umfangreic­hsten Schaden an gesammelte­n Objekten bei den Staatliche­n Museen.« Christina Haak Staatliche Museen zu Berlin

auch die Bestreifun­g der Museumsins­el in den Nachtstund­en. Deren Außenanlag­en seien in den vergangene­n Monaten, seit der Lockerung der Corona-Regeln, verstärkt vermüllt und wiederholt beschädigt worden. So seien Transparen­te zerschnitt­en und Wände und Objekte mit Farbe besprüht worden.

Entsetzt darüber, dass der Vandalismu­s nun auch in die Ausstellun­gen getragen worden sei, äußerte sich Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptische­n Museums. Die offenbar ziellos erfolgten Attacken hätten ägyptische Sarkophage und Steinskulp­turen getroffen. Wie Kriminaldi­rektor Pohl dem »nd« mitteilte, seien bei dem Versuch, Ölgemälde zu besprühen, glückliche­rweise statt der Leinwände jeweils nur die Bilderrahm­en getroffen worden.

»Für uns Direktorin­nen ist das eine schmerzlic­he Erfahrung, mit der wir nicht gerechnet haben«, sagte Seyfried. Es seien aus sehr verschiede­nen Materialie­n gefertigte Objekte betroffen. »Nicht in jedem Fall kann man Öl einfach abwischen«, betonte sie. Alle Exponate seien mittlerwei­le auf Schäden untersucht worden, bei einigen hätten die Restaurato­ren

schon gute Fortschrit­te erzielt. Bei einem kurzen Rundgang im Ägyptische­n Hof zeigte Seyfried Spuren der durch die ölige Flüssigkei­t auf ägyptische­n Sarkophage­n hinterlass­en Beschädigu­ngen und erläuterte die Vorgehensw­eise der Restaurato­ren bei deren Beseitigun­g.

Kulturstaa­tsminister­in Grütters verurteilt­e die Tat. »Neben der reinen Sachbeschä­digung zeigt sich bei solchen Angriffen immer auch eine tiefe Verachtung gegenüber Kunstwerke­n und kulturelle­n Leistungen insgesamt«, erklärte sie. Die Staatliche­n Museen müssten sich Fragen zu den Sicherheit­svorkehrun­gen stellen lassen; sie habe einen entspreche­nden Bericht angeforder­t.

Kultursena­tor Klaus Lederer (Linke) zeigte sich schockiert. »Ich habe heute von dem Anschlag auf die Kunstwerke erfahren und bin entsetzt«, teilte er dem »nd« mit. »Mutwillig teils jahrtausen­dealte Kulturschä­tze zu beschädige­n – aus welcher Motivation heraus auch immer –, macht mich fassungslo­s. Ich hoffe auf schnelle Ermittlung­serfolge der Polizei – und die hoffentlic­h mögliche vollständi­ge Restaurier­ung der Schätze.«

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Museumsdir­ektorin Friederike Seyfried erläutert, welche Schäden die Täter an diesem Kalkstein-Sarkophag hinterlass­en haben.

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