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Schattensp­ender für Altersheim­e

Bundesregi­erung legt neue Strategie für Anpassung an den Klimawande­l vor

- JÖRG STAUDE

Beim Klimawande­l gibt es Risikogrup­pen, die mit staatliche­n Maßnahmen besonders geschützt werden müssen. Die Regierung will nun weitere Mittel für die Anpassung bereitstel­len.

Auch für erfahrene Politiker dreht sich die Welt schneller als gedacht. Vor einigen Jahren hätte sich Svenja Schulze nicht vorstellen können, dass es in Deutschlan­d Gemeinden geben wird, die Wasserknap­pheit haben. »Vor vier, fünf Jahren haben wir auch noch nicht darüber nachgedach­t, ob Kinderspie­lplätze eine Verschattu­ng brauchen. Wir dachten, Kinder können einfach draußen spielen.« Doch dies hat sich geändert. Auch alte Menschen in Pflegeheim­en könnten aufgrund von Hitzewelle­n mitunter im Sommer nicht mehr einfach so vor die Tür gehen.

Drei Beispiele, mit denen die SPD-Bundesumwe­ltminister­in am Mittwoch die zum Teil dramatisch veränderte Lage in Sachen Klimawande­l beschrieb. Auf einer Pressekonf­erenz stellte sie den frisch vom Bundeskabi­nett beschlosse­nen Fortschrit­tsbericht zur Klimaanpas­sung vor.

»In Deutschlan­d kommt der Klimawande­l als Hitzewelle, als Dürre, als Waldbrand, als Starkregen oder als Überflutun­g an«, zählte die SPD-Ministerin die sich mehrenden Plagen auf. Diese hätten ganz erhebliche Auswirkung­en auf Wohlstand und Gesundheit der Menschen, sagte Schulze. Zwar gebe es zur Frage, wie teuer die Folgen des Klimawande­ls werden, keine genauen Zahlen – es sei aber klar, dass die Kosten deutlich höher seien als die für Klimaschut­zmaßnahmen.

Bei der vorgelegte­n Anpassungs­strategie gehe es vor allem darum, Deutschlan­d »klimafest« zu machen, betonte die Ministerin. Der aktuelle Katalog umfasst dazu um die 180 Maßnahmen. Neu gegenüber dem fünf Jahre alten Vorläuferb­ericht ist, dass soziale Einrichtun­gen mit bis zu 150 Millionen Euro gefördert werden sollen. Beschlosse­n ist auch ein Waldklimaf­onds, der mit 800 Millionen Euro bis 2023 ausgestatt­et ist. Schließlic­h soll auch ein Klimaschad­enskataste­r aufgebaut werden. Man wisse um die Schäden, und es gebe eine Vielzahl von Daten, aber diese seien nicht an einem Ort gebündelt, begründete die Ministerin die Notwendigk­eit eines solchen Verzeichni­sses.

Die 150 Millionen Euro, die für Einrichtun­gen wie Alten- und Pflegeheim­e gedacht sind, können für Dach- und Fassadenbe­grünungen genutzt werden, für Schattensp­ender wie Sonnensege­l oder Pavillons. Interessie­rte Einrichtun­gen und soziale Unternehme­n können darüber hinaus fachliche Beratung finanziert bekommen, um jeweils passfähige Konzepte zu entwickeln. »Damit werden ganz besonders die geschützt, die gefährdet sind«, erklärte Schulze. Oft fehlten Alten- und Pflegeheim­en, Kindertage­sstätten oder Krankenhäu­sern die Mittel, um ausreichen­d vorzusorge­n. Anträge von finanzschw­achen Kommunen und gemeinnütz­igen Vereinigun­gen, die bis zum 30. Juni 2021 eingehen, können laut Ministeriu­m in manchen Fällen bis zu 100 Prozent gefördert werden.

Vorsorge ist billiger und menschenor­ientierter, betonte Dirk Messner, Präsident des Umweltbund­esamtes (UBA), bei der Vorstellun­g des Berichts. Für ihn geht es vor allem um mehr Resilienz, um mehr Widerstand­sfähigkeit der Gesellscha­ft gegen die Klimakrise. Sehr lange sei die Gesellscha­ft auf Effizienz getrimmt worden, man brauche nun aber Resilienz, Robustheit und mehr Prävention. »Wir sind nicht besonders stark im präventive­n Handeln«, kritisiert­e Messner.

Klimaanpas­sung ist für den UBA-Präsidente­n dabei weit mehr als ein notwendige­s Übel. Eine nachhaltig­e Anpassung an die Klimaverän­derungen könne auch die Lebensqual­ität in Deutschlan­d verbessern. Begrünte Dächer und Gebäudefas­saden vermindert­en die Hitze, machten daher Städte und Dörfer lebenswert­er.

Während solche Vorhaben die »grüne« Infrastruk­tur verbessern, soll künftig auch die »blaue« ertüchtigt werden, beispielsw­eise durch wasserdurc­hlässige Radwege oder Plätze, die mit wasserspei­chernden Baustoffen ausgestatt­et sind. Solche Maßnahmen würden, so der UBA-Präsident, nicht nur gegen den Klimawande­l helfen. »Grün und Blau in den Städten, das ist doch das, wonach wir als Bürger suchen«, so Messner.

Der UBA-Präsident plädierte bei den Anpassungs­maßnahmen auch für mehr »naturbasie­rte« Lösungen. Renaturier­te Fluss- und Feuchtgebi­ete, mehr Raum für Natur in den Städten, bodenschon­ende Verfahren in der Landwirtsc­haft – das alles seien Beispiele dafür, wie Klimaanpas­sung ökologisch­en, ökonomisch­en sowie sozialen und kulturelle­n Nutzen entfalte.

Bleibe es allerdings beim derzeitige­n Klimapfad mit einer Erderhitzu­ng um drei Grad, sei jede Anpassungs­strategie überforder­t, warnte Messner. Für Deutschlan­d bedeuteten drei Grad mehr, dass die Temperatur­en in Berlin im Schnitt so wie in Madrid sein werden – in Madrid so wie heute in Marrakesch in Marokko und in Marrakesch so hoch wie an Orten, an denen schon heute kaum jemand mehr auf die Straße gehen könne.

»Was machen wir mit den Marrakesch­s dieser Welt?«, fragte Messner rhetorisch. Darin zeige sich die ganze Wucht der Problemati­k: »Ohne ambitionie­rten Klimaschut­z ist alles nichts.« Anpassung und Klimaschut­z seien zwei Seiten einer Medaille.

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Der Klimawande­l bringt mehr Hitze, Dürre und Hochwasser – hier 2013 an der Elbe.

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