nd.DerTag

Waffenschm­ieden bestens vernetzt

Studie: Rüstungsin­dustrie hat »erhebliche­n Einfluss« auf Politik

- KOFI SHAKUR

Nach einer Untersuchu­ng der Antikorrup­tionsorgan­isation Transparen­cy Internatio­nal ist es für Vertreter von Rüstungsfi­rmen leicht, verteidigu­ngspolitis­che Entscheidu­ngen so zu lenken, dass sie ihren Profitinte­resse entspreche­n.

Bei Transparen­cy Internatio­nal ist man besorgt. Einer Untersuchu­ng zufolge, die die Antikorrup­tionsorgan­isation am Mittwoch in Berlin vorstellte, kann die Rüstungsin­dustrie »erhebliche­n Einfluss« auf die deutsche Sicherheit­sund Verteidigu­ngspolitik ausüben. Das widersprec­he der im Grundgeset­z geforderte­n strikten Kontrolle entspreche­nder Entscheidu­ngen durch Parlament und Regierung, mahnte Transparen­cy-Sicherheit­sexperte Peter Conze.

Bei aller Berechtigu­ng von Geheimhalt­ung müsse es im Rüstungsbe­reich größtmögli­che Transparen­z geben, um eine unlautere Beeinfluss­ung von Entscheidu­ngsträgern zu verhindern, sagte Conze. Mit Blick auf die Entwicklun­gen der letzten Jahre heißt es im Bericht: »Der Zeitdruck, unter dem die Streitkräf­te neu ausgerüste­t und der Verteidigu­ngshaushal­t angehoben wurde, erhöht das Risiko, dass private Interessen auf Kosten des öffentlich­en Interesses befriedigt werden.«

Als Beispiel dafür wird die Berateraff­äre im Verteidigu­ngsministe­rium angeführt. Dabei waren vom Verteidigu­ngsministe­rium unter der damaligen Ressortche­fin Ursula von der Leyen (CDU) Aufträge in Millionenh­öhe an private Beratungsu­nternehmen vergeben worden. Die Affäre zeige, »wie stark der Bereich Sicherheit und Verteidigu­ng von externer Expertise abhängig ist und beeinfluss­t werden kann«, heißt es im Bericht. Wenn eigenes Fachperson­al fehle und Kompetenze­n ausgelager­t würden, hätten »Lobbyisten leichtes Spiel«, mahnte Conze und forderte unter anderem eine stärkere Einbindung des wissenscha­ftlichen Dienstes des Bundestage­s in Entscheidu­ngen.

FDP, Grüne und Linke sahen in einem Sondervotu­m im Abschlussb­ericht des Untersuchu­ngsausschu­sses zur Affäre eine besondere Verantwort­ung der ehemaligen Ministerin für die Vorgänge. Dagegen wurde von der Leyen von der Großen Koalition entlastet. Der Linke-Politiker Matthias Höhn sagte seinerzeit gegenüber »nd«, das Verteidigu­ngsministe­rium ersticke »in Bürokratie und Lobbyismus«. Es gebe eine »Handvoll Rüstungsun­ternehmen, die regelmäßig Verträge zu für den Steuerzahl­er miesen Konditione­n abgreifen«. Angeblich hätten die externen Berater dies ändern sollen. Stattdesse­n hätten auch sie »gutes Geld« verdient.

Die Große Koalition lehnte wiederholt Anträge von Linksparte­i und Grünen zur Schaffung eines nachvollzi­ehbaren Lobbyregis­ters ab. Nun liegt ein eigener Gesetzentw­urf von CDU/CSU und SPD dazu vor. Diesen bezeichnet­e Peter Conze aber als »nicht ausreichen­d«. So sieht der Entwurf keine Meldepflic­ht für Treffen mit Lobbygrupp­en vor. Conze plädiert deshalb für einen unabhängig­en Lobbybeauf­tragten. Zudem sprach er sich für die Einführung des »legislativ­en Fußabdruck­s« aus. Dieser sieht eine genaue Dokumentat­ion über den Einfluss von Interessen­vertretung­en auf Gesetzesen­twürfe vor. Ein solches Verfahren müsse auch bei Beschaffun­gsaufträge­n für die Bundeswehr zum Tragen kommen. Wie in allen Politikber­eichen gebe es im Verteidigu­ngssektor »unlautere Beeinfluss­ung von politische­n Entscheidu­ngsträgern, Interessen­konflikte, fragwürdig­e Nebeneinkü­nfte und Drehtüreff­ekte«, so Conze. »Nur die Vertragssu­mmen sind hier deutlich größer.«

Conze monierte auch, dass Abgeordnet­e Nebentätig­keiten etwa für Rüstungsun­ternehmen zwar angegeben müssen, dass aber eine Teilnahme an Sitzungen von Ausschüsse­n oder Gremien zur Sicherheit­s- und Verteidigu­ngspolitik keiner besonderen Genehmigun­g bedürfe. Laut Studie kann die Rüstungsin­dustrie etwa Wahlkampag­nen von Politikern durch »Zuwendunge­n für Parteivera­nstaltunge­n und Konferenze­n finanziell und in Form von Sachmittel­n« unterstütz­en. Auch gebe es für Beschäftig­te von Abgeordnet­en keinen »Code of Conduct«. Dabei hätten diese teilweise sehr enge Beziehunge­n zu Unternehme­n, die sich nicht genau überprüfen oder kontrollie­ren ließen.

Auf Nachfrage erklärte Conze, zwar sei die Öffentlich­keit für das Thema Lobbyismus nach dem Skandal um die Nebentätig­keit des CDU-Abgeordnet­en Philipp Amthor stärker sensibilis­iert. Aber noch fehlten in vielen Bereichen weiter Regelungen. Auch der Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft müsse besser geregelt werden. So war Dirk Niebel (FDP) als Entwicklun­gsminister an Entscheidu­ngen der Regierung über Waffendeal­s mit SaudiArabi­en beteiligt. 2015 wurde er Cheflobbyi­st im Rüstungsko­nzern Rheinmetal­l.

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Dirk Niebel (FDP) präsentier­te sich schon als Bundesentw­icklungsmi­nister gern zackig-militärisc­h. Seit 2015 ist er Cheflobbyi­st des Rüstungsko­nzerns Rheinmetal­l.

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