nd.DerTag

Aufklärung statt Hetze

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Wer glaubt, dass die Verschwöru­ngsanhänge­r*innen rund um Chef-Ideologen wie Attila Hildmann bloß harmlose Spinner sind, wird spätestens jetzt eines Besseren belehrt. Zugegeben, die Fantasien des rechten Vegan-Kochs eignen sich hervorrage­nd als Witzvorlag­e. Wer glaubt schon wirklich, dass sich im Pergamonmu­seum mit dem Baal-Altar der »Thron Satans« befindet, auf dem die »globalen Satanisten und Corona-Verbrecher« nachts Menschen opfern und Kinder schänden?

Nicht allzu wenige offensicht­lich. Nun ist zwar noch nicht sicher, ob es wirklich Attila-Hildmann-Anhänger*innen waren, die im Pergamonmu­seum am 3. Oktober massenhaft Kunstwerke beschädigt­en, aber der zeitliche Zusammenha­ng mit der Verschwöru­ngs-Demo dürfte kaum Zufall sein. Schließlic­h ruft Hildmann schon seit Monaten zur Vernichtun­g der »Hinterlass­enschaften der Satanisten« im Pergamonmu­seum auf. Allein sein Telegram-Kanal hat mehr als 100 000 Abonnent*innen. Das ist mehr als so manche überregion­ale Zeitung an Auflage hat. Selbst wenn die Hälfte davon Schaulusti­ge sind, bleiben immer noch zu viele übrig, die Hildmann mit seinen menschenfe­indlichen Aussagen erreicht. Wohin das führen kann, haben bereits die antisemiti­schen Übergriffe auf den Demos des ausgewiese­nen Reichskrie­gsflaggen-Fans gezeigt.

»Herr, lass Hirn regnen!«, möchte man angesichts dieser kollektive­n Verdummung rufen. Aber Stoßgebete allein reichen nicht mehr aus. Dieser Gefahr muss politisch begegnet werden, auch wenn solchen Ideologien rational ebenso schwer beizukomme­n ist wie religiösen Wahnvorste­llungen. Und was ist diese ganze Verschwöru­ngsszene, wenn nicht eine Art Ersatz-Religion im spätkapita­listischen Zeitalter? Mögen viele ihrer Anhänger*innen längst verloren sein – nun muss dafür gesorgt werden, dass es nicht noch mehr werden. Das wichtigste Mittel ist hierbei die Aufklärung. Die schulische Vermittlun­g von Medienkomp­etenz, um zwischen wahnhaften Verschwöru­ngsmythen à la Hildmann und seriöser Berichters­tattung durch Journalist*innen unterschei­den zu können, wäre dafür ein erster wichtiger Schritt.

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FOTO: ND/ULLI WINKLER Marie Frank über den Einfluss von Verschwöru­ngsideolog­en

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